Programmentwurf der Linkspartei:Wie man Revolution versuppt

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Weniger Arbeiten, hohe Vermögensteuer, keine Privatbanken - der Programmentwurf der Linkspartei tritt für revolutionäre Veränderungen ein.

Daniel Brössler

Revolution ist ein großes Wort. Im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linkspartei kommt es eher beiläufig daher - als Adjektiv. Die Linke kämpfe in einem "großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts", heißt es da auf Seite 18. "Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein." Die verklausulierte Formulierung ist nicht untypisch für einen Text, der die Linkspartei als radikale Alternative empfehlen, die Menschen aber auch nicht verschrecken soll.

An diesem Samstag treten die scheidenden Linkspartei-Vorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky noch einmal gemeinsam vor die Presse, um den Entwurf zu präsentieren, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es soll dann im Berliner Karl-Liebknecht-Haus nach Monaten kleinlicher Personalquerelen wieder um das große Ganze gehen.

Frei nach Rosa Luxemburg stellen die Autoren die Frage: "Sozialismus oder Barbarei?" Der Entwurf, zustande gekommen in schwierigen Verhandlungen einer Programmkommission unter Leitung Lafontaines und Biskys, verlangt folglich nicht weniger als ein anderes Wirtschaftssystem, eine andere Gesellschaft und eine anderes Verständnis von Demokratie.

Unmissverständlich heißt es: "Die Linke kämpft für eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse." Eine "radikale Erneuerung der Demokratie" soll dafür sorgen, dass die Wirtschaft "den Menschen und nicht dem Profit" dient. So wird in dem Entwurf die Vision einer Wirtschaftsordnung entwickelt, in der es zwar auch Privatunternehmen gibt, die aber kaum noch etwas zu tun hätte mit der freien Marktwirtschaft dieser Tage.

Keinen Platz gäbe es mehr für große, private Konzerne. "Solange die Entscheidungen großer Unternehmen sich an den Renditewünschen privater Anteilseigner (Shareholder) statt am Interesse der Allgemeinheit orientieren, ist Politik erpressbar und Demokratie wird ausgehöhlt", postuliert der Entwurf.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Linkspartei die Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden reduzieren will.

In den bislang geltenden programmatischen Eckpunkten der Linken war noch recht allgemein vom "Primat demokratischer Politik über die Wirtschaft" die Rede. Was damit gemeint ist, wird nun klargestellt: "Strukturbestimmende Großbetriebe der Wirtschaft wollen wir in demokratische gesellschaftliche Eigentumsformen überführen und kapitalistisches Eigentum überwinden." Private Banken soll es nach dem Willen der Linken nicht mehr geben, lediglich Sparkassen, Genossenschaftsbanken und staatliche Großbanken.

In privater Hand hingegen blieben kleine und mittlere Unternehmen. "Private Gewinnorientierung kann Produktivität und technologische Neuerung befördern, solange kein Unternehmen stark genug ist, Preise und Umfang des Angebots zu diktieren", wird eingeräumt. Kleine und mittlere Unternehmen hätten zudem ein "hohes innovatives und kreatives Potential".

Auch ihre Vorstellungen von der künftigen Arbeitswelt formulieren die Linken in dem Entwurf sehr konkret. "Längerfristig" streben sie eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich an. Managergehälter sollen auf das Zwanzigfache der untersten Lohngruppen in den betreffenden Unternehmen begrenzt werden. Als Ziel geben die Linken die "soziale Umverteilung von oben nach unten" an. Dem soll auch eine jährliche Steuer von fünf Prozent auf private Millionenvermögen dienen.

An vielen Stellen im Entwurf bekennen sich die Linken zur Demokratie. Dabei distanzieren sie sich vom "Sozialismusversuch" der DDR, der wegen seiner autoritären Steuerung habe scheitern müssen. Eingeräumt wird auch, dass die Vereinigung von SPD und KPD in der sowjetischen Besatzungszone 1946 "unter Druck" erfolgt sei. "Ohne Demokratie", so das Fazit, " kein Sozialismus".

Deutlich wird aber auch, wie sehr sich das Demokratieverständnis der Linken von dem der anderen Bundestagsparteien unterscheidet. Auf den Parlamentarismus allein wollen sie sich nicht verlassen. So ist in dem Text die Rede von der "Ergänzung der Parlamente" durch runde Tische oder Wirtschafts- und Sozialräte auf allen Ebenen. Volksentscheide sollen "ein wichtiges Mittel" und Parteispenden durch Unternehmen verboten werden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Linkspartei auf den Weg "zu einer sozialistischen Gesellschaft machen will.

"Wahlen werden zur Farce, wenn sich die Gewählten ihre Entscheidungen von Großunternehmen und den Vermögenden diktieren lassen und so der demokratischen Kontrolle entziehen."

Keinen Zweifel lässt der Entwurf daran, dass die in ihm formulierten Ziele nicht allein durch Wahlen erreicht werden können. "Mit der Mobilisierung von gesellschaftlichem Widerstand und dem Einsatz für eine grundlegende Umgestaltung machen wir uns auf den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft", ist da zu lesen. Die Menschen sollten ermutigt werden, "sich gegen Politik zur Wehr zu setzen, die ihren Interessen widerspricht - mit Demonstrationen, Bürgerbegehren und zivilem Ungehorsam, aber auch mit Mitteln politischer Streiks und des Generalstreiks".

Die Aufhebung des Verbots politischer Streiks ist eine Forderung, die Noch-Parteichef Lafontaine immer wieder gestellt hat. Der Entwurf trägt erkennbar seine Handschrift und entspricht seiner Forderung, die Partei müsse sich deutlich links positionieren. Dem trägt auch die Klarstellung Rechnung, die Linke werde sich an keiner Regierung beteiligen, die Privatisierungen vornimmt und "Sozial- oder Arbeitsplatzabbau betreibt".

Auf diese Bedingung können sich die verschiedenen Strömungen der Linkspartei vermutlich verständigen, ansonsten aber enthält der Entwurf reichlich innerparteilichen Sprengstoff. Eine sozialistische Wirtschaftsordnung, wie sie in dem Text anvisiert wird, ist in der Partei keineswegs unumstritten. Ende 2011, rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl, soll das neue Programm beschlossen werden. Bis dahin wird gestritten.

© SZ vom 19.03.2010/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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