Presseschau zur Homo-Ehe in den USA:"Kultureller Wandel von enormer Bedeutung"

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"Ich hatte keine Ahnung, dass ein Tag mein ganzes Leben ändern könnte. Aber heute ist es so" und "Hey Dad, kann es nicht erwarten, dass du mich zum Altar führst" haben Befürworterinnen der Homo-Ehe in San Diego auf ihren Schildern stehen. (Foto: REUTERS)

Die Stärkung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch den Supreme Court spiegelt die Entwicklung in der amerikanischen Gesellschaft wider, davon sind die meisten Kommentatoren überzeugt. Homosexuelle gelten dem Gericht als Minderheit, die Schutz braucht - Schwarze nicht mehr.

Die Entscheidung in der Presseschau.

Der Supreme Court in den USA hat ein Bundesgesetz aufgehoben, dass die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert (hier das Urteil als PDF ). Außerdem gibt das Gericht grünes Licht für die Homo-Ehe im Bundesstaat Kalifornien. Während die Medien in den USA auf die Folgeprobleme für Obamas Regierung verweisen, heben die deutschen Zeitungen vor allem die Lücken des Urteils hervor.

Washington Post: "Manchmal schreibt das Gericht geradeheraus Geschichte, wie als es 1954 getrennte Schulen verbot oder 1973 Abtreibung legalisierte. Zu anderen Zeiten handelt es bedächtiger, unterstützt Veränderungen, die bereits im Gang sind. Das war am Mittwoch der Fall. (...) Die Entscheidungen über den Defense of Marriage Act (DOMA) und Kaliforniens Proposition 8 zeigen, dass die Richter die Richtung, in die die nationale Debatte geht, erkannt haben und ihr nicht im Wege stehen wollen. (...) Nach jeder solcher Maßnahmen werden mehr und mehr Amerikaner akzeptieren, dass diese Verbindungen legal sein sollten und Teil eines kulturellen Wandels von enormer Bedeutung sind."

New York Times: "Die Entscheidung wird eine Serie von wichtigen Fragen für Obamas' Regierung darüber aufwerfen, wie bundesweite, die Ehe betreffende Programme überarbeitet werden müssen. Richter Scalia sprach einige der schwierigen Probleme an, die durch das Urteil in dem Fall entstehen: 'Stellen Sie sich ein weibliches Paar vor, dass in Albany geheiratet hat und dann nach Alabama zieht', schrieb er. Können sie eine gemeinsame Einkommensteuererklärung ausfüllen? Ist die Antwort davon abhängig, wo sie geheiratet haben oder wo sie leben?"

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die Verhandlungen fanden vor dem Hintergrund eines dramatischen Wandels der öffentlichen Meinung statt. Im vergangenen Jahr siegten die Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe in Volksabstimmungen in mehreren Bundesstaaten. Landesweite Umfragen weisen inzwischen eine Mehrheit zugunsten der Öffnung der Ehe aus. Das ist zwar kein langfristiger Meinungstrend, aber gerade das Rapide des Umschwungs zeigt das Dramatische des Vorgangs an. Republikanische Strategen raten ihrer Partei zum geordneten Rückzug."

Spiegel Online: Die "Beschlüsse sind zwar wichtige Siege für die US-Schwulenbewegung auf dem Weg zur Anerkennung ihrer Ehen - und zeigen die sich rasant wandelnde öffentliche Meinung. Doch haben das letzte, entscheidende Wort die Bundesstaaten. (...) Dabei folgen beide Urteile (Anm. d. Red.: Hier bezogen auf die Entscheidung des Supreme Court zur Homo-Ehe und das Urteil des gleichen Gerichts vom vorigen Tag, die Rassismus-Schutzklausel im Wahlgesetz zu kippen) einem Trend: Sie stützen Minderheiten wie Homosexuelle, die noch am Anfang ihres Kampfes stehen - während inzwischen etablierte Gruppen wie die Schwarzen nach Ansicht des Courts keinen Anspruch auf besonderen Rechtsschutz haben."

Zeit Online:"Trotz der wichtigen Urteile bleibt die Frage, ob gleichgeschlechtliche Ehen ein verfassungsmäßiges Recht darstellen, unbeantwortet. Auch die Gesetze der Bundesstaaten, die die Homo-Ehe verbieten, bleiben unangetastet. Und Bundesstaaten sind weiterhin nicht verpflichtet, in anderen Staaten geschlossene Ehen anzuerkennen."

Frankfurter Rundschau: "Eine Hoffnung haben die Richter den Gegnern der Homo-Ehe gelassen. Sie haben nicht geurteilt, dass die gleichgeschlechtliche Ehe dort eingeführt werden muss, wo sie heute verboten ist. Diese Bundesstaaten können sich also Zeit lassen. Gleichwohl wird der Richterspruch den Druck erhöhen, auch in Mississippi und andernorts im Land abzuschaffen, was der Verfassung widerspricht. Das mag sich noch Jahre hinziehen. Aber aufhalten lassen wird sich das nicht mehr."

Neue Zürcher Zeitung: "Der Entscheid des Supreme Court ist kein grundsätzliches Urteil über die Rechtmässigkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe, denn diese Frage war in der Klage nicht enthalten. Der Entscheid bedeutet nur, dass der Bund in jenen Staaten, in denen die Homo-Ehe legal ist, diese Legalität ebenfalls anerkennen muss. Er stellt also die Befugnis der Gliedstaaten, eine Ehe zu definieren, in den Vordergrund und befiehlt der Zentralregierung, diese Befugnis zu respektieren. Es ist ein Entscheid, der staatspolitisch von Konservativen durchaus geschätzt werden müsste, wäre da nicht die gesellschaftspolitische Umwälzung, die er weiter fördert."

Südwest-Presse: "Die Gerichtsentscheidung könnte nun den Weg ebnen für die Legalisierung der Hohe-Ehe im ganzen Land. Dies heißt aber keineswegs, dass das Reizthema an Brisanz verliert. Konservative Gruppen, allen voran tief religiöse Südstaaten-Evangeliker, lassen kein gutes Haar an dem Urteil, das angeblich `die sakrosankte Institution der Ehe untergräbt`. Sie melden sich lautstark zu Wort, gehören aber zu einer schwindenden Minderheit, deren politisches Gewicht deutlich abnimmt."

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