Presseschau zu den Präsidentschaftswahlen in Frankreich:Merkozy vor dem Aus, Frangela keine Einheit

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Die erste Runde der französischen Präsidentenwahl ruft in Europas Presse ein zum Teil sorgenvolles Echo hervor. Anlass sind die fast 20 Prozent der Stimmen für den Front National. Und die Frage: Wie gut könnten eigentlich Hollande und Merkel miteinander?

Le Figaro (Frankreich): Für Sarkozy sei der Sieg "absolut machbar", titelt die regierungsnahe Zeitung. " Das Wahlergebnis der Front National wird den Präsidenten dazu bringen, sich an diese Wählerschaft zu wenden, ohne darüber mit Marine Le Pen zu verhandeln. (...) Es ist jetzt die große Herausforderung für Sarkozy, die richtigen Aussagen, Überzeugungen und Zusicherungen zu finden, die alle Franzosen zusammenschließen und verhindern, das Élysée am 6. Mai an die Linke übergeben zu müssen."

La Libération (Frankreich): "Frankreich entkommt dem Schicksal anderer europäischer Länder nicht: Dort finden die 'New-Look'-Populisten, entteufelt in der Form, aber grundsätzlich immer noch genauso schädlich, ein immer größeres Echo bei den Wählern. Und ziehen dabei die konservativen Parteien in ihr Kielwasser. Angesichts dieser neuen politischen Gegebenheiten muss das Ziel klar sein: Antworten auf die Verzweiflung und Wut im ganzen Land zu formulieren, ohne die Werte der Republik außer Acht zu lassen. Die wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Krisen zu überwinden, indem man beschreibt, was die Zukunft dieses Landes sein könnte." Das traut die linksliberale Libération am ehesten Hollande zu. Falsch wäre es dagegen, schreibt die Zeitung, "den Mythos eines Frankreichs wiederzubeleben, das nur überleben könne, wenn es sich in seiner Geschichte einschließt, seine Vergangenheit bis zum Überdruss wiederholt und seine Grenzen abschottet. Diese Grundsatzentscheidung müssen die Wähler treffen."

Le Monde (Frankreich): "Nicolas Sarkozy hat entschieden, seine Kampagne so fortzuführen, wie er sie Mitte Februar begonnen hat. Ganz nach rechts. So wie er es schon 2007, auf Anraten des rechtsorientierten Politologen Patrick Buisson, getan hat. Daran ändert offenbar auch nichts, dass die Wahlergebnisse die Hoffnungen nicht erfüllten und den gegenteiligen Effekt von 2007 erzielten: Sarkozy erreicht ein gedämpftes Ergebnis - während ihm die Front National davonfliegt."

Frankfurter Allgemeine (Deutschland): "Ein Hoffnungsfunken für Sarkozy ist es, dass der Kandidat der Linksfront, Jean-Luc Mélenchon, schwächer abgeschnitten hat als erwartet. Das schmälert Hollandes Wählerreservoir für die Stichwahl. Will Sarkozy noch gewinnen, müsste er die Stimmen der Rechtsextremen und der Mitte zugleich gewinnen - das wäre allerdings ein unerhörtes Kunststück der politischen Arithmetik."

The Guardian (Großbritannien): "Diese Wahl war mehr als eine persönliche Niederlage für einen Präsidenten, von dem die Franzosen genug hatten. Es ging auch um soziale Gerechtigkeit, Verantwortung für die Bankenkrise und den Wunsch, eine Alternative zu einem Jahrzehnt Entbehrung zu schaffen. Aber die Botschaft ist nicht eindeutig. Der Anteil der Pro-Brüssel-Wählerstimmen ist immer noch doppelt so hoch wie der der Europaskeptiker. Daraus kann Deutschland Mut schöpfen. Frankreich will, dass Europa seinen Kurs wechselt, aber es will nicht, dass das Projekt Europa fehlschlägt."

Die Montagsausgabe der französischen Tageszeitung Libération titelt nach den ersten Wahlergebnissen: "Hollande in Führung. Len Pen die Spaßverderberin". Die rechtsextreme Marine Le Pen bekam fast 20 Prozent der Stimmen. Die könnten das Zünglein an der Waage in der Stichwahl am 6. Mai sein. (Foto: REUTERS)

The Times (Großbritannien): Die englische Zeitung fürchtet um das Tandem "Merkozy" und malt sich schon einmal die Folgen einer Zusammenarbeit zwischen François Hollande und Angela Merkel aus: "'Frangela' ist eine Einheit, die noch nicht auf die Probe gestellt wurde. Sollte dieses Wesen bald seine zwei Häupter erheben, dürften die Köpfe nicht lange zusammenbleiben."

The Independent (Großbritannien): "Sarkozy fuhr eine hart rechtsorientierte Wahlkampfstrategie, deutete an, dass die französische Identität von Einwanderung und Islam bedroht sei. Das war kalkuliert, um Le Pen Wählerstimmen abspenstig zu machen und sich die Poll position in der gestrigen ersten Runde zu schnappen. Ein knapper Sieg, davon war sein Wahlbüro überzeugt, würde es dem Präsidenten erlauben, die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Umfragen prophezeiten schon seit Wochen einen Wahlsieg Hollandes. Diese Strategie liegt nun in Trümmern."

The New York Times (USA): "Der starke Auftritt der Linken und die Wut auf die Extremen der Politik schien den Wunsch nach Veränderung in Frankreich wiederzuspiegeln - nach 17 Jahren am Mittelstand orientierter, konservativer Präsidenten. Die Wahl könnte nun einen Anti-Amtszeit-Trend fortsetzen, der mit der Wirtschaftskrise in Westeuropa seinen Anfang nahm."

Kurier (Österreich): "Eine Aufholjagd kann Sarkozy nur gelingen, wenn er die Wähler von Marine Le Pen auf seine Seite zieht, ohne die Anhänger des Zentrumskandidaten Bayrou zu vergraulen."

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz): "Am rechten Rand hat die neue Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, das beste Ergebnis in der Geschichte ihrer Partei erzielt und damit auf Anhieb ihren Vater in den Schatten gestellt. Das ist ein Warnsignal für den künftigen Staatschef, ob dieser Sarkozy oder Hollande heissen wird."

El Mundo (Spanien): "Ein Sieg von Hollande hätte eine Wende in der EU-Politik zur Bekämpfung der Krise zur Folge. Das Duo Merkel-Sarkozy, das die Sanierung der Staatsfinanzen zur höchsten Priorität erklärt hatte, würde auf Wunsch der französischen Wähler aufgelöst. Das Programm von Hollande ist mit dem von Merkel nicht vereinbar."

Público (Spanien): "In der zweite Runde wird es einen Kampf Mann gegen Mann geben und das Bild wird dann klarer werden. Die Zweideutigkeiten werden verschwinden und die Debatte wird sich auf das Wesentliche konzentrieren müssen."

El País (Spanien): "In Frankreich stehen sich zwei völlig unterschiedliche Konzepte von Europa-Politik gegenüber. Hollande will, dass die EU nicht einfach nur spart wie bisher, sondern für die Wirtschaft auch Wachstumsstrategien entwickelt."

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