Philippininen:Duterte, der Bestrafer

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"Wenn ich dich töten muss, dann töte ich dich." Für Rodrigo Dutertes Hetze scheint es keine Grenzen zu geben. (Foto: AP)

Der philippinische Staatschef will Drogengangster schlachten und nennt den Papst einen "Hurensohn". Doch seine harten Methoden treffen doch nur wieder die Armen.

Von Arne Perras, Singapur

Sein Mundwerk, sagt Rodrigo Duterte, sei ein Geschenk Gottes. Dem werden nicht alle zustimmen, doch dem philippinischen Präsidenten ist das egal. Er spricht losgelöst, und niemand ist vor seinen Wortsalven sicher. Das hat der Papst erlebt und auch US-Präsident Barack Obama, beide nannte Duterte jeweils einen "Hurensohn". Das schmutzige Vokabular war schon sein Markenzeichen, als er noch Bürgermeister der philippinischen Stadt Davao war. Und seine Sprache hat er mitgenommen in den Präsidentenpalast nach Manila, wie ein schrilles Maskottchen, von dem er nicht lassen kann. "Macht euch keine Hoffnungen, dass ich mich noch ändern werde", sagte er jetzt, drei Monate nach Amtsantritt. "Ich bin ich."

Boxchampion Manny Pacquiao, alias "der Zerstörer", der sich in den Senat wählen ließ, wirbt kräftig für Duterte, "den Bestrafer". Der sei von Gott erwählt, um das philippinische Volk zu disziplinieren, rief Pacquiao. Der Zerstörer und der Bestrafer, doppelte Schlagkraft.

Doch dann kamen Ende vergangener Woche noch diese beiden Sätze: "Hitler hat drei Millionen Juden umgebracht", sagte Duterte. "Es gibt drei Millionen Drogenabhängige, ich schlachte sie gerne." Philippinische Medien korrigierten noch, dass Hitler sechs Millionen Juden ermorden ließ. Ansonsten aber scheint es keine Grenzen zu geben für Dutertes Hetzte. Und auch nicht für dessen Taten. Seit Juli versucht er, seine Rolle als "Punisher" auszufüllen. Das hat schon Tausende Philippiner das Leben gekostet.

"Wenn ich dich töten muss, dann töte ich dich."

Duterte verspricht, das Gangstertum zu besiegen und den Drogensumpf auszutrocknen: "Wenn ich sage, ich stoppe das Verbrechen, dann stoppe ich es. Wenn ich dich töten muss, dann töte ich dich." So geht Politik in der Ära Duterte. Im Volk hält sich Hoffnung, dass er die Philippinen von all den Übeln befreien kann, die frühere Regierungen wuchern ließen. Die Leute haben Alltagskriminalität und Korruption satt. Viele denken, dass nur der ganz große Hammer, wie ihn Duterte schwingt, das alles zerschlagen kann.

Nicht alle glauben an den nachhaltigen Nutzen der Rambo-Politik, mäßigende Stimmen warnen vor langfristigen Folgen, der Zersetzung von Recht und Gesetz, der Gefahr, dass bald jeder auf jeden schießen wird. Im Senat hat es die frühere Justizministerin Leila de Lima mit einer Anhörung zu außergerichtlichen Tötungen versucht. Sie hat sogar einen Zeugen vorgeladen, der Duterte schwer belastete. Nach Aussage dieses Mannes hat der frühere Bürger-meister von Davao selbst einen Wehrlosen getötet, in Zeiten, als Todesschwadronen ausgeschwärmt sein sollen, um mutmaßlichen Verbrecher auszuschalten. Doch Senatorin de Lima wurde als Vorsitzende des Ausschusses gestürzt, die Duterte-Fraktion ist stark genug, um ihren Präsidenten von parlamentarischer Kontrolle abzuschirmen.

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Mehr als 3300 Philippiner sind bei Razzien der Polizei oder durch Auftragskiller gestorben

Wer im Ruf steht, mit Drogen zu tun zu haben, muss sich im System Duterte bei der Polizei "stellen" und Besserung geloben, er wird registriert und überwacht. Wer nicht spurt, muss befürchten, getötet zu werden. Mehr als 3300 Philippiner sind auf diese Weise schon gestorben, bei Razzien der Polizei oder durch Auftragskiller, deren Finanziers im Dunkeln bleiben. Den Getöteten wird meist das Etikett des Dealers angeheftet. Ein Nachweis, wer sich tat-sächlich welcher Delikte schuldig gemacht hat, wird nicht geführt. Polizeifotos zeigen nach Einsätzen meistens, dass die Getöteten eine Waffe in der Hand halten und ein Päckchen Drogen in der Hosentasche tragen. So sehen Indizien im System Duterte aus. Überprüfbar sind sie nicht.

Warum der 71-Jährige das alles macht? Vielleicht hat es etwas mit der unheimlichen Wut zu tun, die er beschrieben hat. Duterte behauptet, sie treibe ihn an, weil Drogen so viele Leben zerstörten. Damit trifft er einen Nerv im Volk, weil Billigstoff aus China den Markt überschwemmt und vor allem die Armen der Sucht verfallen. Hunderttausende zieht es in diesen Sumpf. Den Zorn des Präsidenten finden viele Philippiner gut.

Es wird schon die Richtigen getroffen haben, so formuliert es ein junger Mann und Wähler Dutertes. Noch immer steht er voll hinter seinem Präsidenten. Und er ist nicht der Einzige, wenn Umfragen stimmen. Demnach ist Dutertes Popularität weitgehend ungebrochen, egal was Menschenrechtler sagen. Jene, die mit ihm nicht einverstanden sind, werden immer leiser. Selbst Analysten sind plötzlich nicht mehr zu erreichen. Manche glauben, dies sei schon die Ouvertüre zur Diktatur. Duterte sieht sich indessen nur als selbstloser Diener des Staates.

Der Aufräumer scheint sich nicht viel zu machen aus Status und Reichtum, er ist, soweit man das erkennen kann, nicht anfällig für Korruption. Mit seinen Macho-Witzen schreckt er nicht ab, sondern bestärkt viele in dem Gefühl, dass jetzt einer aus dem Volk regiere. Fragt man in Manila herum, was für einen Menschen sie in Duterte sehen, bekommt man oft die Antwort zu hören: Das ist ein Mann mit harter Schale, aber doch mit weichem Herz.

Außenpolitisch verspricht er, den Philippinen "ihre Unabhängigkeit" wiederzugeben. Die Attacke auf Obama war insofern kalkuliert, als Duterte seinen Leuten beweisen möchte, dass Manila kein US-Satellit in Südostasien ist. Er kündigte an, dass sein Land keine Manöver mit den Amerikanern mehr abhalten werde, er drohte, mit Washington zu brechen und schickte gleich noch mal eine Beleidigung hinterher: Obama könne zur Hölle fahren. Stattdessen will Duterte neue Allianzen knüpfen. An die Russen robbt er sich heran. Und auch mit China will er reden, was sehr schwierig ist, weil sich beide Staaten im Streit um Inseln im Südchinesischen Meer verkeilt haben. Duterte schlingert außenpolitisch reichlich hin und her. Auf diesem Gebiet ist er unerfahren. Das steigert die Unsicherheiten im pazifischen Raum, wo Washington und Peking um Macht und Einfluss ringen.

Retter oder Vernichter?

"Ich bin vielleicht nicht eure perfekte Wahl", hatte Duterte den Leuten vor der nationalen Abstimmung zugerufen. "Aber ich bin eure letzte Karte". So hat Duterte gesiegt. Er präsentierte sich als Joker, der die Wende bringt. In diesem Sinne war sein Triumph nichts anderes als Ausdruck eines Bankrotts der politischen Klasse. Deren Führer sitzen jetzt in ihren mit Alarmanlagen gesicherten Villen und reiben sich fragend die Augen, wie das nur passieren konnte. Nun erleben die Philippinen einen Umbruch, wie es ihn seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos nicht mehr gegeben hat.

Nichts deutet darauf hin, dass der Präsident von seinem wichtigsten Versprechen abrücken könnte. Der Krieg gegen die Drogen bleibt Kern seines Programms. Auffällig ist nur, dass meistens Menschen in den Slums sterben. Von den Bossen und deren Komplizen hat er zwar einige angeprangert, manche sollen vor Gericht gestellt werden. Aber die Methoden, die ganz unten angewandt werden, scheinen für ganz oben doch nur eingeschränkt zu gelten. Auch im Anti-Drogen-Krieg Dutertes gibt es offenbar eine Klassengesellschaft, diesen Widerspruch hat er noch nicht erklärt.

Eigentlich wollte er mit seinem Feldzug nach sechs Monaten fertig sein. Nun sagt der Präsident, er brauche noch ein halbes Jahr mehr. Retter oder Vernichter? "Die Geschichte wird über mich urteilen", sagt Duterte. Und vorerst gibt es keinen, der ihn auf seinem Weg stoppen könnte.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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