Peter Hintze ist tot:Merkels Sparringspartner

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Peter Hintze ist im Alter von 66 Jahren verstorben. (Foto: dpa)

Nur sehr wenige Politiker hatten eine so direkte und persönliche Beziehung zu Kanzlerin Merkel. Durch den Tod von Peter Hintze verliert die CDU eine prägende Figur.

Von Stefan Braun

Seine engsten Freunde haben es schon länger geahnt, ja befürchtet. Sie haben bei ihm ausgeharrt, haben sich abgewechselt, damit immer einer von ihnen bei ihm sein konnte. Sie haben sich früh um die Familie gekümmert - was für Politiker heute vor allem heißt: Sie haben seine Frau und seinen Sohn abgeschirmt und behütet, damit nichts im Vorhinein bekannt werden konnte. Doch nun, nach langem Kampf mit vielen Aufs und Abs ist das Ringen zu einem Ende gekommen: Am Wochenende ist Peter Hintze 66-jährig in Köln an einem Krebsleiden gestorben.

Der CDU-Politiker ist in seinem politischen Leben vieles gewesen. 1983 wurde er Bundesbeauftragter für den Zivildienst (unter Heiner Geißler), 1991 Staatssekretär im Frauenministerium (unter Angela Merkel), 1992 CDU-Generalsekretär (unter Helmut Kohl), später wieder Staatssekretär, dieses Mal im Wirtschaftsressort. Und 2013 schließlich wurde er Vizepräsident des Bundestages. Doch so lange diese Reihe auch sein mag, und so sehr die berühmte Rote-Socken-Kampagne von 1994 an ihm haftet - all das erzählt nicht im Ansatz, welch große Bedeutung Hintze für die CDU gehabt hat. Seit dem Fall der Mauer hatte er eine ganz eigene Berufung. Und die hieß: Angela Merkel.

Peter Hintze
:Vertrauenswürdiger Mann mit eigenem Kopf

Als Generalsekretär machte Peter Hintze in den 1990ern Wahlkampf für Helmut Kohl. Auch von Kanzlerin Merkel wurde der loyale CDU-Politiker geschätzt. Stationen seines Lebens.

Noch vor wenigen Tagen haben die beiden noch einmal gesprochen. Und Hintze, so ist zu hören, habe der Kanzlerin "mit erstaunlich harter Stimme" ins Gewissen geredet, sich endlich zu entscheiden, noch einmal anzutreten. Eine derart direkte, persönliche Beziehung haben nur sehr wenige zu Merkel entwickelt. Und Hintze, der vier Jahre älter war als die Kanzlerin, ist so etwas wie der oberste Mentor von all jenen gewesen. Er hat nicht nur Eva Christiansen 1998 ins Konrad-Adenauer-Haus geholt, die später Merkels Kommunikationschefin wurde und bis heute für sie im Kanzleramt arbeitet. Hintze ist es auch gewesen, der früh an einem Zirkel jüngerer CDU-Politiker bastelte, die im Laufe der Jahre den einst so berühmten Andenpakt der Kochs, Wulffs, Oettingers und Müllers als mächtigsten Kreis ablösten. Zu ihnen gehören Peter Altmaier, Ronald Pofalla, Norbert Röttgen, Hermann Gröhe und Eckart von Klaeden. Alle waren oder sind eng an Merkels Seite; und alle kamen über Hintze in ihre Nähe.

Noch wichtiger freilich ist das direkte Verhältnis zwischen Merkel und Hintze gewesen. Er kam 1991 als Staatssekretär ins Frauenministerium, das Merkel kurz zuvor in der für sie neuen Welt der Bundesrepublik übernommen hatte. Kohl hatte ihr Hintze zur Seite gestellt, nicht ahnend, was daraus noch werden würde. Hintze war es, der Merkel sprichwörtlich alles erzählte, was die Novizin über das Land, die Politik, die Demokratie und die CDU wissen wollte. Von da an wurde Hintze Merkels wahrscheinlich engster Sparringspartner. Ohne drüber zu reden oder groß Aufhebens drum zu machen, rückte er an ihre Seite, Jahr für Jahr enger. So kam es, dass er in den letzten Jahren, wann immer sie es wollte, in Morgenrunden oder Kabinettssitzungen dabei war, ganz gleich, welchen Rang er hatte oder welchen Titel er trug.

Das bedeutet freilich nicht, dass die beiden nicht auch mal über Kreuz liegen konnten. Insbesondere in ethischen Fragen haben sie auch in Abstimmungen mehrmals anders entschieden. Ob bei der Präimplantationsdiagnostik, der Stammzellforschung oder der Sterbehilfe - jedes Mal kämpfte Hintze mit seiner "Ethik des Helfens" für liberalere Positionen als Merkel.

Ziemlich liberal ist er auch im Umgang mit Journalisten gewesen, vor allem in den letzten Jahren. Eine Begegnung begann zwar stets mit einer Korrektur, nach dem Motto: "Was haben Sie denn da geschrieben!" Danach aber folgte oft eine Diskussion, in der er auch nachdenklich und selbstkritisch sein konnte. Er war ein außergewöhnlicher Mitstreiter, den die Kanzlerin und die CDU verloren haben.

© SZ vom 28.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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