"Patriot"-Einsatz der Bundeswehr:Symbolpolitik ohne Wasserspülung

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Wie geht es den deutschen Soldaten? Kanzlerin Angela Merkel im Februar im südtürkischen Kahramanmaraş. (Foto: dpa)

Gewiss, Soldaten müssen Unannehmlichkeiten akzeptieren. Und ja, Traditionen sind unterschiedlich. Doch wenn Bundeswehr-Angehörige in der Türkei herabgewürdigt oder bedroht werden, muss Berlin reagieren. Denn ihr Einsatz dort ist nicht zur Friedenssicherung notwendig, sondern dient ausschließlich politischen Zielen Ankaras.

Ein Kommentar von Kurt Kister

Wenn ein Land in einem Staatenbündnis engagiert ist und es dieses Engagement ernst nimmt, dann muss das Land gelegentlich Dinge tun, die im Interesse anderer Länder oder des jeweiligen Bündnisses liegen. Der Einsatz der Bundeswehr in der Südtürkei ist ein Beispiel dafür.

Als Nachbar Syriens ist auch das Nato-Mitglied Türkei vom Bürgerkrieg um Assad betroffen. Die Türken beherbergen viele Flüchtlinge, sie fürchten aber auch ein Erstarken der Kurden im syrischen Krieg. Im Oktober schlugen einige Granaten aus Syrien im türkischen Grenzstreifen ein, was dazu führte, dass man in Ankara, aber auch in Brüssel über Bedrohungsszenarien spekulierte. Die Türken forderten Nato-Hilfe ein, sie erhielten sie in Form von Patriot-Luftabwehrraketen der Amerikaner, der Niederländer und der Deutschen.

Eine ernsthafte Bedrohung des Nato-Mitglieds Türkei durch Syrien gibt es nicht, schon gar nicht durch syrische Luftstreitkräfte oder Raketen. Die Patriots in der Türkei sind ein ebenso deutliches wie teures Zeichen dafür, dass die Nato zwar nicht im Bürgerkrieg involviert sein will, dass sie aber der Türkei den Rücken stärkt.

Dieses Symbol nutzt dem türkischen Premier Erdogan, der ab und an osmanische Regionalhegemonie-Gedanken pflegt; dem Diktator Assad schadet es nicht sehr. Die Türken wollen aus Eigeninteresse diese Raketen, und diesem Wunsch fügen sich andere, darunter Deutschland.

Gleichgültigkeit und Herabwürdigung

Seitdem die Deutschen in Kahramanmaraş stationiert sind, haben sich etliche hässliche Vorfälle ereignet. Fremdenfeindliche Demonstranten haben deutsche Soldaten angegriffen; ein hoher türkischer Offizier ging auf eine Feldjägerin los; die örtlichen Befehlshaber scheinen eine Art Kontaktsperre zwischen türkischen und deutschen Soldaten zu errichten. Zu allem Überfluss wurden Teile des Bundeswehr-Kontingents in abgewrackten Unterkünften mit Toiletten ohne Wasserspülung einquartiert.

Gewiss, Soldaten im Feld müssen Unannehmlichkeiten akzeptieren. Aber bei diesem Einsatz handelt es sich nicht um Krieg, Friedenssicherung oder Gegnertrennung, sondern ausschließlich um Politik mit anderen Mitteln zugunsten Ankaras.

Mindestens Teile der türkischen Militärführung scheinen in den Nato-Soldaten nichts anderes zu sehen als jene armen Muschkoten, die in der türkischen Armee noch bis vor kurzem mit Druck, Verächtlichmachung und Gewalt kujoniert worden sind. Manches davon erleiden türkische Wehrpflichtige bis heute.

Ja, die Traditionen sind unterschiedlich, wie das Verteidigungsminister de Maizière befand. Wenn aber die unterschiedlichen Traditionen zu Gleichgültigkeit, Herabwürdigung und Bedrohung führen, dann muss man in Berlin daraus Konsequenzen ziehen.

Wie gesagt, im deutschen Interesse liegt dieser Einsatz nicht. Und auch die Nato wird ohne ihn nicht zusammenbrechen. Sollte sich also am Verhalten der türkischen Gastgeber nicht bald substantiell etwas ändern, dann spricht alles dafür, die Bundeswehr samt Patriots abzuziehen.

© SZ vom 04.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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