Parlamentswahl in Frankreich:Sozialisten erringen absolute Mehrheit

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Der Machtwechsel im französischen Parlament ist vollzogen: Die Sozialisten haben ersten Hochrechnungen zufolge in der zweiten Runde der Wahlen die absolute Mehrheit erreicht. Präsident Hollandes Partei verfügt damit über eine Machtfülle wie seit 50 Jahren nicht mehr.

Die französischen Sozialisten gehen nach dem Gewinn des Präsidentenamtes wohl auch aus den Parlamentswahlen als Sieger hervor.

Französische Umfrageinstitute sagen den Sozialisten und ihren assoziierten Partnern eine absolute Mehrheit voraus. Das Institut CSA erwartet 320 bis 326 Sitze, Sofres 322 und Ipsos 307 Sitze. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Sitzen. Die sozialistische Parteichefin Martine Aubry bedankte sich im Fernsehsender France 2 für "das Vertrauen, das uns ehrt und uns viel Verantwortung auflegt". Der sozialistische Außenminister Laurent Fabius wertete das Votum als eine Bestätigung des politischen Wechsels durch den Präsidenten: "Die Franzosen wollten eine linke Mehrheit und eine linke Politik."

Die Grünen, die bereits zusammen mit den Sozialisten regieren, können CSA zufolge mit 19 bis 23 Sitzen rechnen und haben damit den Fraktionsstatus erreicht. Die Linksfront sieht das Institut bei neun bis elf Sitzen. Die konservative UMP des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy und Verbündete dürften zusammen zwischen 213 und 221 Parlamentarier stellen (Sofres rechnet mit 206, Ipsos mit 213). Damit könnten die Sozialisten auch ohne ihre Koalitionspartner von den Grünen regieren.

Die rechtsextreme Front National (FN) von Marine Le Pen schafft den Hochrechnungen zufolge erstmals seit 1997 wieder den Einzug ins Parlament. Wegen des Mehrheitswahlsystems wird sie jedoch trotz eines zweistelligen Prozentergebnisses auf Landesebene wohl nur ein bis vier Abgeordnete stellen. Marion Maréchal-Le Pen, 22-jährige Enkelin des Parteigründers der rechtsextremen französischen Front National (FN), wird dabei Frankreichs jüngste Parlamentarierin. In ihrem Wahlkreis Vaucluse errang sie die Stimmenmehrheit. Ihre Tante Marine Le Pen verpasste den Einzug ins Parlament nur knapp. Der sozialistische Gegenkandidat Philippe Kemel sagte, er habe "einige Stimmen Vorsprung" vor Le Pen. Die 43-jährige Anwältin forderte umgehend eine Neuauszählung der Stimmen in dem nordfranzösischen Wahlkreis Hénin-Beaumont.

Mit Präsidentenamt, der Mehrheit in der Nationalversammlung und im Senat sowie mit der Mehrheit in den Regionen haben die Sozialisten damit eine so große Machtfülle wie seit 1958 nicht mehr. Mit diesem Rückhalt im Parlament kann Präsident François Hollande weitgehend unbeschränkt seine Reformen umsetzen.

Das würde auch Hollandes Position in den Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stärken, die sich gegen die von ihm geforderten Euro-Bonds und jegliche Aufweichung der Budget-Disziplin ausspricht. Am Wahlsonntag wurde bekannt, dass der Präsident insgesamt rund 120 Milliarden Euro als Wachstumsspritze für Europas Wirtschaft fordert. Die Sonntagszeitung Le Journal du Dimanche zitierte aus einem elfseitigen Schreiben Hollandes an Angela Merkel (CDU) und andere europäische Staats- und Regierungschefs mit den Worten: "Schnelle Wachstumsmaßnahmen in einem Volumen von 120 Milliarden Euro müssten ab Juni vom EU-Rat beschlossen werden."

Eine Niederlage muss Ségolène Royal (58), einstige sozialistische Präsidentschaftskandidatin und Ex-Partnerin von Präsident Hollande, einstecken. Nach eigenen Angaben unterlag sie in ihrem Wahlkreis La Rochelle Olivier Falorni, einem ortsansässigen Abweichler aus den eigenen Reihen. Er hatte im Wahlkampf per Twitter öffentlich Unterstützung von Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler erhalten, während Hollande seine Ex-Partnerin Royal im Wahlkampf unterstützt hatte.

Bereits zum vierten Mal seit der Präsidentenwahl Ende April/Anfang Mai wurden die Bürger der zweitgrößten EU-Volkswirtschaft an die Urnen gerufen. Entsprechend verhalten fiel die Beteiligung an der zweiten Wahlrunde zur Nationalversammlung aus. Bis 18.00 Uhr gaben nach Angaben des Innenministeriums 56 Prozent aller 46 Millionen Wahlberechtigten im europäischen Kernland ihre Stimme ab. Damit liegen sie knapp niedriger als bei der ersten Wahlrunde vor einer Woche. Am 10. Juni hatte die Beteiligung schlussendlich bei 57,3 Prozent gelegen.

© Süddeutsche.de/dpa/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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