Papst-Attentäter Ali Agca:Zurück an den Tatort

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War er Wirrkopf, türkischer Nationalist oder Killer im Auftrag Breschnews? Ali Agca, der ein Attentat auf Papst Johannes Paul II. verübte, kommt nach 28 Jahren frei. Nun zieht es ihn ausgerechnet nach Italien.

Klaus Brill

Dass er ein Wirrkopf sei - dieser Eindruck hatte sich schon bald nach dem Attentat festgesetzt, mit dem der junge Mehmet Ali Agca in die Weltgeschichte einging. Am 13. Mai 1981 hatte der Türke, damals 23 Jahre alt, auf dem Petersplatz in Rom aus einer Menschenmenge heraus versucht, den Papst zu erschießen.

Schon 2006 wurde Ali Agca freigelassen, jedoch umgehend wieder festgenommen. Jetzt soll er endgültig freikommen. (Foto: Archivfoto: dpa)

Drei Kugeln aus seiner Pistole trafen Johannes Paul II., den Papst aus Polen, der erst zweieinhalb Jahre zuvor ins Amt gekommen war. Eines der Geschosse verletzte den Pontifex schwer am Dünndarm, nur knapp verfehlte es die Wirbelsäule. Und bis heute darf man rätseln, was das wahre Motiv des Attentäters war, und ob die Weltgeschichte anders verlaufen wäre, wenn die Kugeln Johannes Paul II. damals tödlich getroffen hätten.

Denn unverkennbar ist, dass der Pole Karol Wojtyla, der dann im Ganzen 26 Jahre bis zum Frühjahr 2005 amtierte, durchaus einen gewissen Anteil am Untergang des Kommunismus hatte. Schon in seinen ersten Jahren hatte er mit aufsehenerregenden Besuchen in Polen und mit zahlreichen Ansprachen klargemacht, dass er ein unversöhnlicher Gegner der atheistischen Herrscher der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten in Mittel- und Osteuropa war. Tatkräftig hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche zudem die polnische Gewerkschaft Solidarnosc unterstützt, die mit ihren Streiks den ersten entscheidenden Anstoß zum Sturz der Diktatur gab.

Vor diesem Hintergrund, der sich 1981 durchaus schon eröffnet hatte, war damals gleich die Frage aufgekommen, ob hinter dem Attentäter Ali Agca die kommunistischen Herrscher im Kreml und ihre Geheimdienste stünden. Ali Agca war ein türkischer Ultra-Nationalist, der der extremistischen Organisation der "Grauen Wölfe" angehörte und 1979 einen türkischen Journalisten ermordet hatte.

Später floh er nach Bulgarien, und in Rom fanden sich nach dem Attentat Hinweise, die den Verdacht nährten, der bulgarische Geheimdienst habe Ali Agca geschickt. Ein Untersuchungsausschuss des italienischen Parlaments kam indes 2006 zu dem Schluss, dass 1981 kein Geringerer als der sowjetische KP-Chef Leonid Breschnew seinem Geheimdienst GRU den Befehl zum Anschlag auf den Papst gegeben habe. Auch die Geheimdienste Bulgariens und der DDR seien involviert gewesen.

Journalistenmord, Banküberfälle, Papst-Attentat

Ali Agca hat sich dazu nie eindeutig erklärt. Er war in Rom zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auf Bitten des Papstes, der ihn im Gefängnis besuchte, wurde er im Jahr 2000 vom italienischen Staatspräsidenten begnadigt und an die Türkei ausgeliefert. Dort saß er seither eine weitere Strafe wegen des Journalistenmordes und wegen zweier Banküberfälle in den 1970er Jahren ab.

Schon 2006 brachte ihm eine Amnestie die vorläufige Entlassung, doch hob der Oberste Türkische Gerichtshof die Aussetzung der Haft auf Bewährung bald wieder auf. Jetzt aber naht endgültig der Tag, an dem der mittlerweile 51-jährige Verbrecher nach mehr als 28 Jahren wieder in Freiheit kommt. Sein türkischer Anwalt Haci Ali Ozhan bestätigte am Montag, Mehmet Ali Agca dürfe am 18.Januar das Hochsicherheitsgefängnis in Ankara verlassen.

Nach italienischen Presseberichten will er bald nach Rom kommen, um am Grab Johannes Pauls II. zu beten. Angeblich will er auch vor großer Öffentlichkeit in Rom vom Islam zum Katholizismus übertreten. Aber vielleicht ist das auch nur ein Anflug von Wirrnis. Man wird wohl von ihm hören.

© SZ vom 22.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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