Obama: Erste Entscheidungen:Symbolträchtiger Start

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In den ersten Tagen im Amt kümmerte sich Barack Obama hauptsächlich darum, die richtigen Zeichen zu setzen. Doch das Beispiel Guantanamo zeigt, wie schnell er den Worten Taten folgen lässt.

B. Vorsamer

Die erste Entscheidung von Barack Obama im Amt als US-Präsident war, alle Guantanamo-Verfahren für 120 Tage auszusetzen. Kurz darauf nahm er die Verordnung der Vorgängerregierung, verschärfte Verhörmethoden (zum Beispiel Waterboarding) zu erlauben, zurück.

Der US-Präsident Barack Obama beginnt mit der Arbeit (im Zoombild besser zu sehen: sein Arbeitsplatz). (Foto: Foto: AFP)

Das sind starke Signale. Obama entschied sich bewusst dafür, als Erstes die umstrittendsten Entscheidungen von George W. Bush rückgängig zu machen. Schließlich weiß auch er um die enorme Symbolik von Guantanamo und Waterboarding.

Die To-do-Liste für seine ersten Stunden zeigt seine Prioritäten: der Abzug der US-Truppen aus dem Irak, die Wirtschaftskrise und die Krise im Nahen Osten. Es sind schwere Aufgaben, die der Demokrat hier bewältigen muss. Mit ein paar Telefonaten und Meetings ist es nicht getan.

Obwohl er bei den Ferngesprächen mit Israels Premier Ehud Olmert, Ägyptens Präsident Hosni Mubarak, Jordaniens König Abdullah und Palästinenserpräsident Machmud Abbas bereits seinen Ansatz zur Lösung der Nahostkrise klargemacht hat; obwohl er den für Irak zuständigen Generälen eine neue Marschorder gegeben hat (Abzug in 16 Monaten); und obwohl Obama bereits Stunden nach dem Amtseid die Guantanamo-Verfahren gestoppt hat: All das ist zunächst Symbolpolitik.

Das Wort "Symbolpolitik" hat einen negativen Beigeschmack, weil es suggeriert, dass es sich dabei nicht um richtige Politik handelt, sondern um eine inhaltsleere Show für die Medien. Im Fall Barack Obama ist das falsch. Jedes Meeting, jedes Telefonat und jede Order des US-Präsidenten hat per se auch eine Wirkung.

"Symbolpolitik ist bei Obama gleichzeitig Realpolitik", erklärt auch der Experte für politische Psychologie Hans-Jürgen Wirth im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Zum Beispiel ist das Signal des Präsidenten an die islamische Welt, dass er einen Austausch auf Augenhöhe wünscht und ihm Konsens wichtig ist, außenpolitisch höchst bedeutsam."

Auch das sofortige Treffen des US-Präsidenten mit seinen wirtschaftspolitischen Beratern ist eine wichtige Botschaft. Für die Welt heißt das Signal: Die Finanzkrise hat höchste Priorität und wir fangen sofort mit der Arbeit an. Für den Kongress lautet die Anweisung, das Konjunkturpaket so schnell wie möglich zu verabschieden - und zwar so, wie Obama sich das vorstellt.

Am Beispiel Guantanamo ist zu sehen, wie schnell Barack Obama seinen Worten Taten folgen lässt. Nach der Ankündigung, die Verfahren auszusetzen, dauerte es nur einen Tag, bis der Zeitplan für die Schließung des Lagers feststand. Schon am Donnerstag vormittag nach Washingtoner Uhren (bei uns also um 17 Uhr) unterzeichnete der Präsident die Anordnung, Guantanamo zu schließen.

Damit löst der Präsident schon an Tag drei seiner Regierungszeit ein erstes Wahlkampfversprechen ein. So macht er seinen Wählern deutlich: Ihr habt nicht zu Unrecht euer Vertrauen in mich gesetzt.

Symbolpolitik ist auch Realpolitik: Warum das bei Barack Obama ganz besonders der Fall ist und was bei seiner ersten Fehlentscheidung passieren wird, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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Die Tatsache, dass es sich bei dem US-Präsidenten nun um Barack Obama handelt, den heißersehnten "Heilsbringer", den Botschafter des Wandels und den ersten afroamerikanischen Präsidenten, lädt seine Tätigkeiten mit noch mehr Symbolik auf. "Der Grund dafür ist, dass sich zwischen Obama und seinem Publikum bereits eine starke emotionale Beziehung entwickelt hat", erklärt Wirth. "Daher nehmen so viele Menschen derzeit auch gefühlsmäßig an seiner Arbeit Anteil."

Obama ist eben mehr als der US-Präsident. Er ist auch ein weltweites Symbol für Hoffnung, für eine Hoffnung auf Veränderung. Die Erwartungen, die an ihn gestellt werden, sind beinahe übermenschlich und kaum zu erfüllen. Sein erstes Scheitern kommt bestimmt.

"Scheitert er, folgt eine Vertrauenskrise", mutmaßt USA-Forscher Detlef Junker. Psychologe Wirth jedoch ist zuversichtlicher. Er nimmt an, dass die Euphorie, die Obama ins Amt getragen hat, noch über eine geraume Zeit anhalten wird. "Sie wird ihn auch über die ersten Hürden tragen", sagt er.

Schon jetzt zeigt sich, dass der Präsident sich der Gefahr der Hybris wohl bewusst ist. Der Unterschied zwischen seiner Antrittsrede und seinen Wahlkampfreden war augenfällig: Der Messias der Vorwahlen ist ob seines Erfolges nicht abgehoben - sondern holte sogar seine übereuphorisierte Anhängerschaft auf den Boden der Tatsachen zurück: Er betonte die Verantwortung des Einzelnen, forderte die Bürger zur Mitarbeit auf und machte deutlich, wie gewaltig die Krise Amerikas ist.

Barack Obama beherrscht die Sprache der Symbole und kennt die Wirkung seiner Worte. Damit macht er Politik. Doch solange er realistisch bleibt und hart an Lösungen in der Sache arbeitet, ist dagegen gar nichts zu sagen.

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