NPD bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern:Warum "Deutschlands starke Rechte" schwächelt

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Balsam für die braune Seele: Auf einschlägigen Internetseiten bejubeln Rechtsradikale den Wiedereinzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Sechs Prozent im Nordosten sind für jeden Demokraten schlimm. Aber sie können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die extreme Rechte weit hinter ihren selbstgesteckten Zielen zurückbleibt.

Kathrin Haimerl

"Neue Hochrechnung: 5,6 Prozent!", triumphiert ein Kommentator im Netz. "Jetzt schon 5,9 Prozent!", schreibt einer wenige Zeit später. Im Netz feiern sich die Kameraden selbst und geben sich kämpferisch: "Die Linken hauen wir nächste Wahl weg!!!", schreibt einer. "Und jetzt: Berlin stürmen!", ein anderer. Der Sonntagabend ist Balsam für die braune Seele. Am Ende holte die NPD 6,0 Prozent, 40.075 Wähler stimmten für die rechtsextreme Partei. NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs frohlockt noch am Abend auf seiner Facebook-Seite: "Motto des Tages: Da brat uns doch einer den Storch!" Es ist eine Anspielung an die Satirefigur "Storch Heinar", mit der junge Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren die NPD veralbern.

"Und jetzt: Berlin stürmen!" Nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern hofft die NPD, ins Berliner Abgeordnetenhaus einziehen zu können. (Foto: REUTERS)

Die Kameraden nehmen die Anspielung in den Kommentaren gerne auf. Für die älteren Wähler schiebt Pastörs später am Abend noch einen Dankesclip als Biedermann mit grauer Krawatte nach. Hörbares Aufatmen also bei der NPD. Oder, wie es Pressesprecher Klaus Beier im Gespräch mit sueddeutsche.de ausdrückt: "Ein Ruck" sei durch die Reihen der Bundespartei gegangen.

Denn es ist der erste Erfolg der Partei in diesem Jahr. Allerdings fällt dieser durchwachsen aus: "Die NPD ist hinter ihren eigenen Zielen zurückgeblieben", erklärt die Politologin Gudrun Heinrich von der Universität Rostock. Als Wahlziel hatte Pastörs acht Prozent plus X ausgegeben. Zudem habe die NPD ersten Berechnungen zufolge ein Drittel ihrer Wählerschaft verloren. "Nichtsdestotrotz ist das Wahlergebnis von sechs Prozent eine Bestätigung der Verankerung der Partei vor Ort", sagt Heinrich.

Eine Partei in der Krise

Als "Deutschlands starke Rechte" wollte sich die NPD im Wahljahr 2011 präsentieren, die Landtagswahl im März in Sachsen-Anhalt hatte sie gar zur Schicksalswahl erklärt. Doch der Start ins Superwahljahr sei nicht so angelaufen, wie man sich das erwartet hätte, muss auch NPD-Sprecher Beier einräumen.

Zunächst war die angekündigte Fusion mit der DVU zur Posse geraten, weil sich deren Anhänger hartnäckig der Übernahme durch die NPD verweigerten. Auch den Höhenflug im Osten konnte die Partei nicht fortsetzen, im Gegenteil. In Sachsen-Anhalt scheiterte sie - trotz eines aufwändigen Wahlkampfes - mit 4,6 Prozent am Einzug in den Landtag. Auch in Bremen, wo die NPD sich berechtigte Hoffnung gemacht hatte, erstmals seit 1972 in einen westdeutschen Landtag einzuziehen, war sie mit 1,6 Prozent an den selbstgesteckten Zielen gescheitert. Ähnlich frustrierend die Ergebnisse in Hamburg (0,9 Prozent), Baden-Württemberg (1,0 Prozent) und Rheinland-Pfalz (1,1 Prozent). Angesichts der Misserfolge sieht der Bundesverfassungsschutz die rechtsextreme Partei in der Krise, das schlechte Abschneiden habe zu Demotivation und Ratlosigkeit in der NPD geführt.

Der Erfolg in Mecklenburg-Vorpommern ist deshalb für die Rechtsextremen ein wichtiger Sieg. Denn den beiden Landtagsfraktionen in Dresden und in Schwerin kommt innerhalb der Partei eine enorme Bedeutung zu. Dabei stehe nicht die parlamentarische Arbeit im Vordergrund, sondern die Möglichkeit, die Parlamente als Agitations- und Propagandaplattform medienwirksam zu instrumentalisieren, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht.

Pastörs' Strategie

Pastörs hat diese Taktik auf die Spitze getrieben: Seit Beginn der Legislaturperiode kassierte er 202 Ordnungsrufe, 34 Mal wurde ihm das Rederecht entzogen, 27 Mal wurde er von einer Landtagssitzung ausgeschlossen. Zum Vergleich: Die Mitglieder der demokratischen Abgeordneten kamen insgesamt auf 72 Ordnungsrufe. Pastörs sorgt auch außerhalb des Plenarsaals für Aufsehen: Im Mai 2010 etwa wurde er vom Amtsgericht Saarbrücken wegen Volksverhetzung zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten und einer Geldbuße von 6000 Euro verurteilt. Auf einer öffentlichen Veranstaltung der NPD hatte er Deutschland als "Judenrepublik" betitelt und türkische Männer als "Samenkanonen" bezeichnet.

In der Szene genießt Pastörs Respekt, erst recht nach dem gestrigen Wahlabend: "Ich bin wahrlich kein Freund der NPD und deren Parteifunktionären. Aber: Herr Pastörs und seine Mannschaft haben es sich absolut verdient und ich bin froh, für Mecklenburg und Pommern, dass die etablierten Verbrecher weitere Jahre ordentlich Kontra bekommen und die Wahrheit ein Stimme hat", schreibt ein Nutzer im rechtsextremen Thiazi-Forum.

Der Spitzenkandidat, der auf Veranstaltungen gerne den Schreier gibt und mit Hetzreden provoziert, steht wie kein anderer in der NPD für die Kooperation mit der extrem rechten und gewaltbereiten Kameradschaftsszene. Die nimmt für die Partei eine wichtige Funktion ein: Die NPD spricht selbst von einer "wichtigen politischen Vorfeldorganisation", mit deren Hilfe die Partei überaus erfolgreich junge Mitglieder rekrutiert und Wahlkampf an der Basis vorantreibt. Auch den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag dürfte die Partei zu einem Großteil diesen Aktivisten zu verdanken haben, die im Wahlkampf ganze Ortschaften mit NPD-Plakaten zugepflastert haben.

Mit Tino Müller, einem früheren Aktivisten der seit 2009 verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend", hat die Kameradschaftsszene sogar ihren eigenen Vertreter im Schweriner Schloss. Der NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern ist einer der extremsten innerhalb der Partei: "Die ideologische Ausrichtung ist völkisch, national und radikal", erklärt Politologin Heinrich. "Die radikale neonazistische Ausrichtung ist das Alleinstellungsmerkmal der NPD im Nordosten." Das Landesamt für Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern stuft einige Neonazis, die mit der NPD zusammmenarbeiten, als "teilweise gewaltbereit" ein.

Nicht alle in der NPD sind einverstanden mit dem Auftreten der Parteifreunde im Nordosten. Zwar versucht die Partei nach Einschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz "aus wahltaktischen Gründen" so weit wie möglich, die Kameraden zu disziplinieren. Doch die Zusammenarbeit mit der Kameradschaftsszene stößt in Teilen der Partei auf Vorbehalte. Der parlamentsorientierte Flügel setzt aus taktischen Gründen auf eine Distanzierung von der Kameradschaftsszene. Die sächsische Landtagsfraktion etwa versuchte beim Parteitag im vergangenen Jahr, die NPD als populistische und soziale Heimatpartei aufzustellen, scheiterte damit allerdings.

"Dämlichste PR-Aktion aller Zeiten"

In Sachsen aber ist Holger Apfel, der Vorsitzende der Dresdner NPD-Fraktion, mit dieser Strategie erfolgreich: 2009 schaffte er den Wiedereinzug in den sächsischen Landtag, seither ist die NPD dort mit acht Abgeordneten vertreten. Auf Facebook gratuliert Apfel zwar den Schweriner Kameraden und kündigt an: Die "Achse Dresden-Schwerin" könne in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden. Doch die Zusammenarbeit zwischen den im Auftreten gemäßigteren und den radikaleren Funktionären der Partei ist schon in der Vergangenheit alles andere als reibungslos verlaufen.

Nun zeigt sich das auch im Berliner Wahlkampf der Partei, wo der andere Udo, der NPD-Bundesvorsitzende Voigt, ähnlich wie Pastörs mit Provokationen punkten will. Zum Beispiel mit einem Kreuzworträtsel in einer Informationsbroschüre, das als Lösungswort "Adolf" ergibt. Bei den Gemäßigteren in der Partei stößt dies auf harsche Kritik - es ist die Rede von der "dämlichsten PR-Aktion aller Zeiten".

Im Westen kommt die NPD kaum über den Status der Ein-Prozent-Partei hinaus, im Osten zanken die Flügel um den Kurs der Partei: In dieser Verfassung ist die Partei keine Gefahr für Deutschland.

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