Parteitag der NPD in Bamberg:Zwischen Fusion und Konfusion

Am Ende des Bamberger Parteitags der NPD sollte eine moderate Neue Rechte stehen - nach dem Vorbild der österreichischen FPÖ. Doch da hat die Spitze der rechtsextremen Partei die Rechnung ohne die Delegierten gemacht.

Kathrin Haimerl, Bamberg

Der zweite Tag des NPD-Programmparteitags in der Bamberger Kongresshalle beginnt ohne den Chef: Udo Voigt steckt im Stau. Ein Vorzeichen. Denn das mit der neuen nationalen Bewegung will an diesem Samstag nicht so richtig vorwärts gehen.

NPD-Bundesparteitag - Voigt

NPD-Parteichef Udo Voigt beim Parteitag in Bamberg: Er würde die rechtsextreme Partei gerne in eine neue Rechte nach dem Vorbild der FPÖ verwandeln.

(Foto: dpa)

Dabei hatte Voigt alles geplant. Nach diesem Wochenende sollte die NPD eine moderatere Partei sein, eine, die sich als soziale Alternative präsentiert. Das "Die Nationalen" sollte raus aus dem Namen, dafür sollte "Die soziale Heimatpartei" rein. Heimat und sozial, das seien Wörter, die überwiegend positive Assoziationen weckten, erklärt Voigt mit Verweis auf mehrere Studien. Dass dies funktioniert, zeige das Beispiel der populistischen FPÖ, bei der sich die NPD den Namenszusatz abgeschaut hat.

Soweit der Plan also.

In der Bamberger Kongresshalle aber wartet auf den Parteichef ein Publikum, das mit den Anhängern der FPÖ nicht in Verbindung gebracht werden will. Als "Weichspüler links von uns" beschimpft Udo Pastörs die österreichischen Rechtspopulisten sowie die deutschen Pro-Bewegungen.

Und nun strebt Voigts NPD auch noch die Fusion mit dem Erzfeind DVU an - der Partei, die sich unter ihrem neuen Vorsitzenden Matthias Faust als moderne Rechte präsentieren wollte. Voigts Ankündigung zu Beginn des Parteitags war vor allem eines: öffentlichkeitswirksam. Beliebt bei den Delegierten im Saal ist der Schritt nicht: Am Samstag schweigen sie das Thema tot, allein der Vorsitzende der "Jungen Nationaldemokraten" (JN), der NPD-Jugendorganisation, Michael Schäfer, lässt einmal eine verächtliche Bemerkung fallen. Begeisterung sieht anders aus.

"Reih dich ein"

Auch auf der anderen Seite, bei den alten Herren der DVU, dürfte das Unverständnis beim Anblick einiger NPD-Aktivisten aus der Kameradschaftsszene groß sein: Die Schläfen sind kahlrasiert, Tätowierungen gehören zur Szene, einige haben ein Spinnennetz-Tattoo am Ellbogen.

Viele der jungen Delegierten tragen Zimmermannshosen - sie gehörten zur Uniform der inzwischen verbotenen "Heimattreuen Deutschen Jugend" (HDJ). Manche haben die Zimmermannhose mit einem gestreiften Hemd kombiniert. Einer von ihnen ist Lutz Giesen. Der Kameradschaftsaktivist soll dem Internetportal "endstation rechts" zufolge der HDJ-Einheit Mecklenburg und Pommern angehört haben.

Ein junger Mann, der viel zu sagen hat

An diesem Samstag auf dem Parteitag hat der junge Mann viel zu sagen. Er weiß, wie er das Publikum im Saal für sich vereinnahmen kann: Er ist einer der wenigen Redner, bei denen tatsächlich Stille im Raum herrscht. Er sagt Sachen wie "Brecht die Zinsknechtschaft!" Oder: "Freiheit dem deutschen Volke!" Und er appelliert an das Geschichtsbewusstsein der Delegierten. Auf künftigen Parteitagen, so Giesen, wolle er die Fahnen der "geraubten Gebiete inklusive der östlichen" sehen, "und zwar, bis wir die Möglichkeit haben, dort zu siedeln".

Das gefällt dem Publikum. Jedes Mal, wenn Giesen vom Rednerpult abtritt, gibt es lauten Beifall. Meist eilt dann noch Udo Pastörs ans Pult, um von der aufgeheizten Stimmung zu profitieren. Giesen scheint ihm zu gefallen. Pastörs spricht in einer Rede wohlwollend von "den jungen Idealisten" in den Reihen der Partei - und blickt dabei in die Richtung, in der Giesen und seine Kameraden sitzen.

Keine moderaten Töne

Es verwundert denn auch nicht, dass das verabschiedete Parteiprogramm alles andere als moderate Töne enthält. Die NPD ist von der inländerfreundlichen wieder zur ausländerfeindlichen Partei geworden. Sie fordert eine "Rückkehrpflicht" für Ausländer, Asylbewerber will sie von Sozialleistungen ausschließen, Integration hält sie für "Völkermord". In dem neuen Programm finden sich die bekannten Parolen.

Unter anderem ist die Rede von "raumorientierter Volkswirtschaft", die NPD will "den Schuldkult beenden" und fordert "eine Politik zur Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb seiner geschichtlich gewachsenen Grenzen". Damit die angestrebte Neuauflage des Dritten Reiches auch straffrei bleibt, verlangt die NPD die Abschaffung der Paragraphen 86 und 86a Strafgesetzbuch, die Verwendung und Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sowie des Straftatbestands der Volksverhetzung, Paragraph 130 Strafgesetzbuch.

Um 17 Uhr ist das Präsidium mit den Änderungsanträgen durch. Und die Delegierten nehmen das Parteiprogramm an.

Die schwerste Probe

Doch die schwerste Probe steht NPD-Chef Voigt noch bevor. Dem Parteistrategen ist es in der Vergangenheit immer wieder geglückt, die zerstrittenen Flügel der extremen Rechten unter einem Dach zu vereinen. Auf dem Parteitag muss es ihm etwa gelungen sein, den Landesverband Sachsen unter der Führung von Holger Apfel zu besänftigen. Jedenfalls hat der Landesverband am Freitagabend überraschend seine zahlreichen Änderungsanträge zum neuen Parteiprogramm zurückgezogen.

Nun geht es aber um die Namensänderung in "NPD - die soziale Heimatpartei". Es ist ein Vorschlag des sächsischen Flügels, der sich innerhalb der Partei gerne moderat und bürgerlich gibt. Der Zusatz soll künftig auf den Wahlzetteln enthalten sein. Voigt erhofft sich davon eine Art "Wähl-mich"-Effekt auf den noch Unentschlossenen in der Wahlkabine. Der NPD-Chef, der in das neue Programm auch die Forderung nach einem Schutz der deutschen Sprache vor "Anglisierung" aufgenommen hat, spricht von "Marketing".

Mecklenburg-Vorpommern schießt quer

Voigt ist nicht der größte Redner. Deshalb achtet er in dieser Rede noch stärker auf seine Wortwahl. Er schlägt einen beschwichtigenden Tonfall an. Das Wort "Namensänderung" verwendet er nicht. Stattdessen spricht er von "Namenszusatz". Er hofft, dass sich die Radikaleren unter den Delegierten damit anfreunden können.

Können sie nicht. Der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern schießt quer und bringt einen eigenen Änderungsvorschlag ein, der da lautet: "NPD - für Familie, Volk und Heimat."

Es beginnen lange Diskussionen darüber, welche Begriffe nun wohl die positiveren Konnotationen beim potentiellen Wähler hätten. Am Ende verteidigt Pastörs dann doch das alte Label "NPD - die Nationalen". Denn das sei ein Name, "der als kleines Stück Heiligtum" in den eigenen Reihen begriffen werden könne, sagt er. Auch Lutz Giesen tritt wieder als Redner auf. Die Stimmung im Saal beginnt sich im Sinne des Landesverbands Mecklenburg-Vorpommern zu drehen. Es kommt zur Kampfabstimmung. Schließlich erreicht keiner der beiden Änderungsvorschlage die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Delegierten. Das zeigt: Die radikalen Kräfte, um deren Integration sich der Parteistratege Voigt in den 1990er Jahren bemüht hat, haben inzwischen eine kritische Masse erreicht. Innerhalb der NPD zeichnet sich an diesem Samstagabend ein neuer Machtkampf ab.

Voigts angestrebter Kurswechsel könnte noch zur Zerreißprobe für die rechtsextreme Partei werden.

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