Nordkoreas Atomprogramm:Kims explosives Erbe

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Das Atomprogramm ist die Lebensversicherung des nordkoreanischen Regimes. Mit ihm erpresste Kim Jong Il wichtige Verhandlungspartner wie die USA, es verschaffte dem Land Gehör und Geld. Der plötzliche Tod des Diktators stellt die nahe gerückten Erfolge der Nukleardiplomatie in Frage - und verschafft dem neuen Machthaber eine starke Position.

Paul-Anton Krüger

Zu einem ungünstigeren Zeitpunkt hätte der Tod von Kim Jong Il für die Regierung von US-Präsident Barack Obama kaum kommen können. Seit Mitte des Jahres verhandeln Washingtons Emissäre mit dem Regime in Pjöngjang, ein Durchbruch war in Sicht: Noch in dieser Woche sollte laut der Nachrichtenagentur Associated Press eine vorläufige Einigung bekanntgegeben werden.

Nordkoreanische Soldaten bei einer Militärparade im Okotober 2010. (Foto: REUTERS)

Eine neue Runde der Sechs-Parteien-Gespräche über Nordkoreas Atomprogramm war geplant; Südkorea, Japan, Russland und vor allem China sollten daran teilnehmen. Angeblich hatten die Unterhändler des Diktators schon eingewilligt, die Urananreicherung im Atomzentrum Yongbyon einzustellen und die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wieder ins Land zu lassen. Noch vor dem nächsten Treffen, das für Donnerstag in Washington angesetzt war, hätten die USA wohl Lebensmittelhilfe für das notleidende Land angekündigt. Nun aber steht alles in Frage.

Raketen und Atombomben waren Kims Mittel, um dem bitterarmen Land in der Welt Gehör zu verschaffen - und harte Devisen. Verkaufte er Raketen nach Pakistan und Iran und mutmaßlich gar einen Reaktor nach Syrien, benutzte er das heimische Nuklearprogramm als Verhandlungskapital und durchaus auch als Mittel zur Erpressung.

Im Oktober 1994, nur Monate nachdem er die Macht von seinem gestorbenen Vater Kim Il Sung übernommen hatte, unterzeichneten Nordkorea und die USA das erste Abkommen. Die IAEA hatte Zugang zu Atomanlagen in Yongbyon verlangt, die Pjöngjang verheimlicht hatte und die für den Bau von Atomwaffen taugten. Im Rahmenabkommen von Genf versprach Kim, das Programm einzufrieren, es letztlich aufzugeben. Washington sagte zu, Öl zu liefern und später zwei Leichtwasserreaktoren zur Stromerzeugung.

Es war der Ausgangspunkt für 17 Jahre Nukleardiplomatie; sie hat bis heute keine dauerhafte Lösung gebracht. Einmal konnten die USA die zugesagten Lieferungen nicht erbringen, weil der Kongress die Vereinbarung sabotierte; die Republikaner hatten dort die Mehrheit erlangt. Sie verdammten das Abkommen von 1994 als Appeasement und strichen im Haushalt die Mittel.

Dann setzten sich die Nordkoreaner über alle Vereinbarungen hinweg und bauten neben der Produktion von Plutonium heimlich eine Urananreicherung auf - den zweiten Weg zur Bombe. Als die USA sie mit entsprechenden Geheimdiensterkenntnissen konfrontierten, kam es im Oktober 2002 zum Eklat. Pjöngjang erklärte das Rahmenabkommen für hinfällig und gestand - zumindest berichteten das US-Diplomaten - sein Waffenprogramm ein.

Zwar hatte Präsident George W. Bush das Land längst auf die "Achse des Bösen" gesetzt, doch gingen die Verhandlungen auch unter seiner Regierung weiter. Wieder erreichte man eine Grundsatzeinigung, im Herbst 2005. Doch gelang es nicht, die Details auszuhandeln. Pjöngjang feuerte daraufhin im Sommer eine Rakete ins Japanische Meer und testete am 8. Oktober seine erste Atombombe - ein technischer Fehlschlag zwar, der aber sein politisches Ziel erreichte: neue Gespräche, neue Hilfszusagen.

Seither hat das darbende Reich der Kims eine zweite Atombombe getestet, die Urananreicherung hochgefahren und der Welt präsentiert. Der neue Machthaber Kim Jong Un hat also nicht die schlechteste Verhandlungsposition. Sein Vater betrachtete das Atomprogramm als wichtigste Lebensversicherung des Regimes - er hätte es nie aufgegeben, vermuten Diplomaten. Und sein Sohn? Der dürfte fürs Erste darauf fixiert sein, genau dieses Regime zu stabilisieren.

© SZ vom 20.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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