Regionalwahlen:Trennungsangst in Nordirland

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Es wird erwartet, dass die Regierungsparteien DUP und Sinn Féin erneut als stärkste Parteien aus der Wahl hervorgehen. (Foto: Peter Morrison/AP)
  • Die Nordiren müssen mitten in den Brexit-Wirren ein neues Regionalparlament wählen.
  • Auslöser ist der Streit um ein misslungenes Energie-Förderprogramm.
  • Am Ende der Wahl sollen eine protestantisch-unionistische und eine katholisch-republikanische Partei gemeinsam regieren. Doch das ist derzeit fraglich.

Von Christian Zaschke, London

Eine der großen Fragen der an diesem Donnerstag anstehenden Wahl zum Regionalparlament in Nordirland ist, wie viele Menschen überhaupt noch so viel Interesse an der lokalen Politik aufbringen, dass sie an der Abstimmung teilnehmen. In den vergangenen 20 Jahren ist die Wahlbeteiligung stets zurückgegangen, obwohl die politische Lage in keinem anderen Teil des Vereinigten Königreichs so prekär ist wie in Nordirland. Diesmal könnte die Beteiligung unter 50 Prozent sinken.

Wohlmeinende Stimmen sagen, das liege daran, dass die Lage in der Region sich so weit stabilisiert habe, dass die Wähler das Gefühl hätten, ihre Stimme sei nicht mehr so wichtig. Denn ganz gleich, wie die Wahl ausgeht: Am Ende sollen eine protestantisch-unionistische und eine katholisch-republikanische Partei gemeinsam regieren. Das ist im Karfreitagsabkommen von 1998 so festgelegt worden.

Es droht weitere Neuwahl - oder Nordirland wird von London aus regiert

Seit diesem Abkommen herrscht weitgehend Frieden zwischen unionistischen Protestanten, die wollen, dass Nordirland Teil des Vereinigten Königreichs bleibt, und republikanischen Katholiken, die sich für ein vereinigtes Irland einsetzen. Von den Sechzigerjahren an war dieser Konflikt blutig gewesen; etwa 3500 Menschen kamen in den verharmlosend "troubles" genannten Unruhen gewaltsam ums Leben. Die letzte Splittergruppe der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) hatte ihren bewaffneten Kampf erst 2005 für beendet erklärt. Diese Erklärung war Voraussetzung dafür, dass die Democratic Unionist Party (DUP) und die republikanische Sinn Féin seit 2007 im Parlament zusammenarbeiten und die Macht teilen. Dieses Konstrukt ist jetzt gefährdet.

Im Januar ist der stellvertretende Ministerpräsident Martin McGuinness (Sinn Féin) zurückgetreten, weil er sich nicht mehr in der Lage sah, weiter mit Regierungschefin Arlene Foster (DUP) zusammenzuarbeiten. Dadurch wurden Neuwahlen nötig. Erst im Mai 2016 hatte Nordirland zuletzt gewählt. Jetzt werden die Wähler erneut an die Urnen gebeten.

Bei dem Streit zwischen McGuinness und Foster ging es um ein Programm zur Förderung von grüner Energie. Dieses hatte Foster als Unternehmens-Ministerin im Jahr 2012 aufgelegt, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu verringern. Wie sich herausstellte, war dieses Programm so wenig durchdacht, dass es reichlich Raum für Missbrauch ließ. Farmer erhielten fürs reine Verbrennen von Kraftstoffen Subventionen, was manche ausgiebig ausnutzten. Die Kosten für die Steuerzahler sollen sich auf 500 Millionen Pfund belaufen, rund 580 Millionen Euro. Sinn Féin forderte, dass Foster ihr Amt ruhen lässt, bis das Programm eingehend untersucht worden ist. Das lehnte sie ab.

McGuinness hat sich mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen ganz aus der Politik zurückgezogen. Sinn Féin wird von Michelle O'Neill in die Wahl geführt. Diese sagte am Dienstagabend in einer TV-Debatte der fünf wichtigsten Kandidaten, dass sie nicht mit Foster zusammenarbeiten könne, solange die Frage nicht geklärt sei, wer die Verantwortung für das Energieprogramm übernehme. Sollte sie zu dieser Aussage stehen, stünde die nordirische Politik vor einem Problem.

Es wird erwartet, dass DUP und Sinn Féin erneut als stärkste Parteien aus der Abstimmung hervorgehen. Das hieße, dass sie von Verkündung des Wahlergebnisses an drei Wochen Zeit hätten, eine Regierung zu bilden und Minister zu ernennen. Gelänge das nicht, müsste unter Umständen erneut gewählt werden. Das wiederum wollen sowohl die nordirischen Parteien als auch die Zentralregierung in London verhindern. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass das Regionalparlament seine Arbeit ruhen lässt und Nordirland von London aus regiert wird. Auch daran hat niemand ein Interesse.

Es gibt zwei Lösungen für den Konflikt. Erstens, die DUP nominiert anstelle von Foster eine andere Regierungschefin. Das gilt jedoch als unwahrscheinlich, zumal Foster am Dienstag erneut betonte, sie habe beim Auflegen des Energieprogramms nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Zweitens, Sinn Féin erklärt sich doch zur Zusammenarbeit mit Foster bereit. Dazu bedürfte es einiger Kompromisse.

Zu den Hauptstreitpunkten der beiden Parteien gehören die Homo-Ehe, die die DUP ablehnt, und die Forderung Sinn Féins nach einem Gesetz, dass das irische Gälisch gleichberechtigt an die Seite des Englischen als Landessprache stellt. So ist es in der Republik Irland geregelt. Weiteres Konfliktpotenzial bietet der Brexit. Sinn Féin wollte in der EU bleiben. Die DUP hatte sich zur Verblüffung der meisten Beobachter für den Brexit ausgesprochen, obwohl dieser bedeuten könnte, dass es künftig wieder eine befestigte Grenze zur Republik Irland geben muss.

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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