Neonazi-Aufmarsch in Dresden:Das Recht und die Rechten

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Der Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar gilt als Pflichttermin für Neonazis. Im Netz geben sie sich betont kämpferisch - auch weil ein Gericht den Polizeieinsatz bei der Kundgebung im vergangenen Jahr für rechtswidrig erklärt hat.

Kathrin Haimerl

Dresden, 13. Februar 2010: Am Nachmittag droht die Situation zu eskalieren. Die Rechtsextremen stehen eingepfercht in der Kälte, Polizisten haben den Platz abgeriegelt. Dann verkündet einer der Beamten über ein Mikro: "Bleiben Sie auf dem Schlesischen Platz. Die Polizei wird es nicht zulassen, dass Sie diesen verlassen."

Brennende Mülltonnen in Dresden am 13. Februar 2010: Gegendemonstranten haben erfolgreich einen Aufmarsch Rechtsextremer blockiert. Nun hat ein Gericht den Polizeieinsatz rückwirkend als unrechtmäßig verurteilt. (Foto: dpa)

6000 Neonazis sind am Jahrestag der Bombardierung nach Dresden gekommen, um ihre Version der Geschichte auf die Straße zu tragen. Doch daraus wird nichts. Die Straßen in die Stadt sind von Gegendemonstranten blockiert, mehr als 10.000 sind es, die sich den Rechtsextremisten in den Weg stellen, darunter auch gewaltbereite Linksautonome. Die Lage ist unübersichtlich. Um kurz vor 17 Uhr löst die Polizei die Kundgebung der Rechten auf.

Der Unmut der Neonazis war deutlich zu spüren: Schließlich ist der 13. Februar in Dresden ein Pflichttermin für die rechtsextremen Demonstrationstouristen. Seit mehr als zehn Jahren organisiert die völkisch-bündische Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) an diesem Datum einen sogenannten Gedenkmarsch durch Dresden.

Für Februar 2011 kündigen die JLO und ein "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" gleich zwei Veranstaltungen an: Während am 13. Februar der jährliche "Trauermarsch" geplant sei, mobilisiert die Szene eifrig bundes- und europaweit für eine "Großveranstaltung" am 19. Februar. Hinter dem "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" stecke nach Angaben eines Aktivisten in der NPD-Parteizeitung Deutsche Stimme eine Gruppe "engagierter Menschen" aus NPD und "freien Strukturen".

Die Ankündigung für den 19. Februar liest sich wie ein Kampfaufruf: Die Kundgebung sei als "Protest gegen die Methoden der Demokraten und ihrer Handlanger bei Ordnungs- und Polizeibehörden" zu verstehen, heißt es in einer Mitteilung der Organisatoren.

Bestätigt fühlen sich die Veranstalter nun von einem Gerichtsurteil: Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden erklärte die Auflösung der Kundgebung im vergangenen Jahr durch die Polizei rückwirkend als unrechtmäßig. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Beamten den Rechtsextremen "die Durchführung der Demonstration hätten ermöglichen müssen": "Es wird festgestellt, dass der Beklagte ( die Polizei, Anm. d. Red.) es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers zu gewährleisten", heißt es in einer Pressemitteilung. ( Az: 6 K 366/10)

"Voll auf Randale"

Die Frustration über den misslungenen Aufmarsch im vergangenen Jahr scheint bei den Rechtsextremen tief zu sitzen. So schreibt ein Nutzer in dem sozialen Netzwerk Facebook auf der Seite, die für den Marsch am 19. Februar eingerichtet wurde: "Also ich stell mich dieses Jahr auch voll auf Randale ein." Und weiter: "Wir lassen uns doch nicht schon wieder verarschen und kämpfen uns bis zu diesem Bahnhof durch wo wir stundenlang gekesselt und schikaniert werden (...)."

Kein Wunder also, dass die rechten Organisatoren das Gerichtsurteil als Triumph feiern: Das Verwaltungsgericht habe "neue Ansätze und Möglichkeiten" aufgezeigt, "die uns als Versammlungsteilnehmer bei Blockaden offenstehen und die wir in diesem Jahr auch umsetzen werden", verkünden sie auf einer einschlägigen Internetseite. Näher wolle man sich nicht äußern, um sich den "strategischen Vorteil" nicht zunichtezumachen. Auf der Internetseit der JLO heißt es, dass man das "'Recht auf Gedenken und Versammlungsfreiheit' durch eine neue Veranstaltungsstrategie auch politisch geltend machen könne".

Was genau nun das Dresdner Verwaltungsgericht unter einem "Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel" verstehe, will man nicht näher erklären. Der zuständige Richter wolle abwarten, bis die Urteilsbegründung schriftlich vorliege, heißt es von Seiten des Gerichts. Nur so viel: Damit sei "sicherlich nicht der Einsatz von Wasserwerfern und Knüppeln" gemeint, sagt ein Sprecher. Vielmehr sei man der Frage nachgegangen, wie es im vergangenen Jahr zu einer derartigen Eskalation am Nachmittag kommen konnte. Man habe in der Verhandlung die Durchführung des gesamten Polizeieinsatzes hinterfragt.

Als "unangenehm, aber nicht überraschend" bezeichnet die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Entscheidung. Unangenehm deshalb, weil es die Polizisten "in große Schwierigkeiten" bringe, erklärt ein Sprecher. Denn die Beamten können sich nicht mehr auf den "polizeilichen Notstand" berufen - eine Situation also, in der die Polizei die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleisten könne.

Scharf kritisiert die GdP den Blockade-Aufruf des überparteilichen Bündnisses "Nazifrei! Dresden stellt sich quer", den Politiker wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), Petra Pau (Linke) und Grünen-Chefin Claudia Roth unterzeichnet haben. Daneben finden sich unter den Unterstützern auch der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske, der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, sowie die Bands Die Toten Hosen, Fettes Brot und Tocotronic.

Aus einem solchen Aufruf leite er ab, "dass zumindest die Bereitschaft vorhanden ist, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen", sagt der Sprecher. Eine Blockade von genehmigten Demonstrationszügen durch Gegendemonstranten schränke das Demonstrationsrecht ein - "auch wenn der Zweck der Demonstration jeden Demokraten beleidigt". Und weiter erklärt die GdP: "Moralisch gut gemeint ist nicht demokratisch gut gemacht."

Das Bündnis der Gegendemonstranten hält unterdessen an dem Blockade-Aufruf fest: "Demokratie heißt für uns, sich einzumischen", sagt ein Sprecher. Das sei keine Frage der Legalität, sondern der Legitimität. Zudem richte sich die Blockade nicht gegen den Einsatz der Polizei, vielmehr wolle man verhindern, dass Rechtsextreme die Stadt und das Gedenken an die Opfer für ihre Zwecke vereinnahmen könnten.

Bestätigt sieht sich das Bündnis in der großen Resonanz, die es auf den Aufruf erhalte: Schon jetzt gebe es mehr Anmeldungen als im vergangenen Jahr. Zudem sei die Unterstützung auch unter den Dresdnern gestiegen. Der Sprecher zeigte sich zuversichtlich, dass sich auch in diesem Jahr mehr als 10.000 Menschen beteiligen werden: Es gehe darum, mit einem breiten, bürgerlichen Protest, den Neonazi-Aufmarsch zu verhindern. "Die Polizei kann ja nicht 10.000 friedlich protestierende Bürger von der Straße tragen", so der Sprecher.

Unterdessen geht auch die Mobilisierung der rechten Szene in sozialen Netzwerken wie Facebook und auf einschlägigen Seiten munter weiter: "1000 Kameraden können sie dabei stoppen, 10.000 nicht!", schreibt ein Facebook-Nutzer. Und ein anderer schreibt: "Dieses Jahr werden uns die Zecken nicht stoppen!!! Und wenn sie's trotzdem versuchen marschiern wir einfach durch und schlagen alle um!!!"

Nach einem friedlichen Trauermarsch jedenfalls hört sich das nicht an.

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