Nach Urteil gegen Ex-Premierminister:Berlusconis Parteifreund schwadroniert über "Bürgerkrieg" in Italien

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Seine Parteifreunde versuchen mit drastischen Drohungen Amnestie für den verurteilten Steuerbetrüger Berlusconi zu erzwingen. Ein Senator ist nun einen Schritt zu weit gegangen und droht mit "Bürgerkrieg". Die Antwort darauf nur: Er solle doch "in der Hitze einen Hut" tragen.

Erpressung, Einschüchterung, Bedrohung: Für einen Politiker, der seine rasante politische Karriere maßgeblich auch mani pulite zu verdanken hat - jenen umfangreichen Untersuchungen gegen Italiens korrupte politische Elite in den 1990er Jahren - klingen die Methoden von Silvio Berlusconi und seiner Partei ziemlich mafiös. Am Wochenende schien die Regierungskoalition zeitweise kurz vor dem Zerfall zu stehen. Aber wie ernst ist es dem Volk der Freiheit ( Il Popolo della Libertà, PDL) mit seiner Drohung?

Berlusconis früherer Kulturminister und Senator Sandro Bondi ist nun womöglich einen Schritt zu weit gegangen. Er forderte die Aufhebung des Ämterverbots für Berlusconi - "oder Italien riskiert eine Art Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang". Vom linken Koalitionspartner Partito Democratico (PD) heißt es dazu nur: "Wir raten Bondi in der Hitze einen Hut zu tragen, viel Wasser zu trinken und alkoholische Getränke zu meiden." Im Rom liegen die Temperaturen derzeit um die 40 Grad. Auf Twitter reagierten die Menschen mit Spott und hohn, #guerracivile war am Nachmittag einer der meistbenutzten Hashtags in Italien:

Doch auch wenn Bondi über das Ziel hinausgeschossen ist, reiht er sich doch ein in die ernsthafte Riege von Berlusconis Unterstützern, die die Folgen eines Ämterverbots des früheren Ministerpräsidenten in dunkelsten Farben ausmalen und mit allen Mitteln eine Begnadigung des Politikers fordern.

Fünf PDL-Minister der Koalitionsregierung boten Berlusconi ihren Rücktritt an. Dieser will darüber in wenigen Tagen befinden. Nach einer Krisensitzung der Partei stellten auch Abgeordnete des Parlaments ein Ultimatum: Wenn Napolitano keine Amnestie für Berlusconi erlasse, wollten sie ihre Ämter aufgeben. "Wenn es darum geht, unsere Ideale zu verteidigen, sind wir zum Rücktritt bereit", sagte Parteichef Angelino Alfano. Die Parlamentarierin Daniela Santanche sagte: "Wir leben in einer Diktatur. Es gibt mit der Justiz eine Macht, die die Demokratie außer Kraft gesetzt hat. Berlusconis Verurteilung schreit nach Revolution." Sollten die PDL-Politiker ihre Drohung wahrmachen und ihre Ämter niederlegen, wäre die Regierung unter der Führung von Ministerpräsident Enrico Letta am Ende.

Mit einer Demonstration im Zentrum Roms wollten Berlusconis Unterstützer den Druck auf Staatspräsident Giorgio Napolitano, den Medienunternehmer zu begnadigen, am Sonntag zusätzlich erhöhen. Zu der Demonstration wurden 500 Busse aus ganz Italien erwartet. Entgegen erster Ankündigungen sollten aber keine Minister daran teilnehmen, um "Instrumentalisierungen zu vermeiden", wie Verkehrsminister Maurizio Lupi sagte. Es wurde aber erwartet, dass Berlusconi sich seinen Unterstützern zumindest am Fenster seiner Wohnung zeigt, vor der die Demonstration stattfindet.

Der Cavaliere selbst nannte als Preis für eine Fortsetzung der Koalition eine Justizreform. Anderenfalls werde er auf Neuwahlen dringen. Dafür will der Medienmogul seine alte Partei Forza Italia wiederbeleben. "Ohne Justizreform sind wir zu Neuwahlen bereit", sagte der 76-Jährige nach Berichten von Teilnehmern am Freitag vor Abgeordneten seiner Partei PDL. Wirtschafts-Staatssekretär Stefano Fassina von der mitte-links-gerichteten PD lehnte das Verlangen nach Amnestie als "unannehmbare Forderung" ab. Sie ziele darauf ab, die unabhängige Justiz der Politik zu unterstellen. Die PDL sollte zum Regierungshandeln zurückkehren oder die Rücktrittsdrohung ihrer Minister wahr machen.

Ministerpräsident Letta von der PD rief zum Erhalt der erst im Frühjahr gebildeten Koalition auf. Italien kämpft mit der schwersten Rezession des Landes seit 1945. Beobachter fürchten, dass Neuwahlen und die wahrscheinlich daraus resultierende langwierige Regierungsbildung Italien weiterhin lähmen und die Krise verschärfen könnten.

Der Oberste Gerichtshof hatte am Donnerstag die Verurteilung Berlusconis zu vier Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung bestätigt - zum ersten Mal ist der Politiker damit rechtskräftig verurteilt. Der gleichzeitig gegen ihn verhängte fünfjährige Ausschluss von öffentlichen Ämtern soll noch einmal überprüft werden. Ins Gefängnis muss Berlusconi nicht. Zum einen wurde die Strafe auf ein Jahr herabgesetzt - diese Zeit kann er wegen seines fortgeschrittenen Alters mit gemeinnütziger Arbeit ableisten oder sie im Hausarrest in einer seiner vielen Villen verbringen.

Ein sofortiger Bruch der Regierungskrise in Rom ist trotz aller Kriegsrhetorik nicht zu erwarten: In Italien stehen die Parlamentsferien bevor.

© Süddeutsche.de/Reuters/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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