Nach dem Berlusconi-Urteil:Ende einer hemmungslosen Partei

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Berlusconi und seine Partei haben Italien geprägt: Ethik gilt in der Politik als Fremdwort, Schurken wurden zu Gewinnern. Viele Italiener schämen sich für ihren ehemaligen Regierungschef - und dürfen nun darauf hoffen, dass die Mailänder Richter den politischen Selbstbedienungsladen stoppen.

Andrea Bachstein

Silvio Berlusconi hatte nicht erwartet, dass die Mailänder Richter ihn derart strafen wollen: Vier Jahre Haft und fünf Jahre Amtsverbot für Italiens ehemaligen Premier sind ein hartes Urteil, wenngleich schon gemildert auf ein Jahr Haft durch die Anwendung einer Amnestieregelung.

Berlusconi sagt, er sei sicher gewesen, dass er mit einem Freispruch aus dem sechs Jahre dauernden Mediaset-Prozess herausgeht, in dem er wegen Steuerbetrugs beim Handel mit Fernsehrechten in den neunziger Jahren angeklagt war. Doch nichts da: "Eine besondere Fähigkeit zum kriminellen Handeln" beim Konstruieren eines Systems zur Steuerhinterziehung hat ihm das Gericht sogar attestiert.

Es ist nicht das erste Mal, dass er in erster Instanz zu Gefängnis verurteilt worden ist, und er wird auch wegen Mediaset seine Luxusanwesen nicht mit einer Zelle tauschen müssen. Seine 76 Jahre schützen ihn davor - und ehe ein Urteil in zweiter Instanz vorliegt, passiert sowieso nichts. Dass er nun wieder tobt gegen die Justiz und ein angeblich politisch motiviertes Urteil, ist ein hilfloser Reflex, der ihm nichts nützt. Denn wenn sein Ansehen nach all den Skandalen, die er mit Konflikten zwischen seinem Regierungsamt und seinen Geschäftsinteressen oder seinem berüchtigt ausschweifenden Privatleben ausgeklöst hat, überhaupt noch weiter beschädigt werden konnte, dann ist das jetzt geschehen.

Viele Italiener schämen sich noch einmal, dass so einer sie so lange regieren konnte: ein Steuerbetrüger, einer von denen also, die dazu beigetragen haben, dass Italiens Finanzen nun desolat dastehen. Eine politische Leiche war Berlusconi im Grunde schon vorher. Seit seinem erzwungenen Rücktritt im vergangenen November hat er grollend im Hintergrund gewirkt, hat seine Partei PDL zwar die Regierung von Mario Monti unterstützen lassen, aber immer wieder auch Erpressungsversuche unternommen.

Manchmal schienen solche Aktionen beinahe gefährlich für Italiens Sanierungskurs, einige Gesetzesvorhaben haben sich deshalb verhakt, aber im Grunde blieb es bei Störmanövern. Zunehmend chaotisch und verzweifelt hat der machtverliebte Mann aus Mailand in diesem Jahr gerudert, um seine Partei und damit auch seinen Einfluss über Wasser zu halten. Wirre und widersprüchliche Pläne hat er entworfen, gegen den Euro gewettert. Dann blieb er wieder schweigend im Versteck, um bald seinen Rückzug oder doch wieder seine Kandidatur anzukündigen, und zuletzt, vor drei Tagen, mit großem Pathos den Entschluss, wirklich nicht mehr anzutreten.

Silvio Berlusconi mit seiner damals neu gegründeten Partei am 29. März 2009 in Rom. (Foto: AFP)

Die Umfragen über seine Wahlaussichten und die der PDL waren zu trostlos. Denn es erweist sich, was vorherzusehen war. Eine Partei, die nur eine Versammlung um eine Person ist, die ihr Inhalt, ihr Daseinszweck ist, steht ohne diese Gestalt erbärmlich da. Zerrissen über den weiteren Weg, über Personen und nicht zuletzt über die Rolle Berlusconis selbst. Die einen wollten sich endlich befreien von dem zur Last gewordenen Übervater, die anderen klammerten angstvoll an ihm.

Es rächt sich nun auch seine politische Personalauswahl: die konnte mit hübschen Beinen zu tun haben oder mit gegenseitigen Interessen, Qualifikationen aber spielten oftmals keine Rolle bei der Vergabe von Parteiämtern und Listenplätzen.

Die zerstrittene PDL wirkt ohne ihren Führer buchstäblich kopflos, was auch den Bürgern nicht entgangen ist. Einige in der Partei sind sogar so verwirrt, dass sie nun danach rufen, Berlusconi solle gerade wegen seiner Verurteilung doch wieder kandidieren. Neben dem inneren Verfall beuteln die Partei in den letzten Wochen dazu noch die Skandale um PDL-Politiker in den Regionen, die hemmungslos in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Der Verdacht, dass sie sich in ihrem Verständnis von Politik als Selbstbedienungsladen zum Schaden der Bürger vom Vorbild ihres Parteichefs inspirieren ließen, liegt nahe. Denn, was immer aus der PDL wird, das ist der eigentliche Schaden: in den 20 Jahren, in denen Berlusconis skrupelloser Stil in Italien dominiert hat, sind die Sitten ringsum verkommen, die Verhaltensmaßstäbe bei vielen verrutscht, nicht nur in der Politik. Und es hat sich eine politische Klasse gebildet, für die Ethik ein Fremdwort ist, in der Schurken Gewinner waren. Dieses von Berlusconi eingeträufelte Gift auszuscheiden, darum ringt das Land gerade, es wird noch dauern. Das Urteil von Mailand kann dabei helfen.

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