Münchner Sicherheitskonferenz:Westerwelle fordert Verständigung im Streit über Raketenabwehr

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Raketenschild statt US-Atomwaffen in Europa: Außenminister Westerwelle will eine stärkere Zusammenarbeit der Nato mit Russland. Der geplante Raketenschirm dürfe das Verhältnis nicht belasten. Außerdem müsse die EU sich in ihrer Verteidigungspolitik für eine Beteiligung der USA, Russlands und der Türkei öffnen. Im Atomstreit mit Iran ruft Westerwelle zur Mäßigung auf.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat stärkere Anstrengungen der EU für eine gemeinsame Sicherheitspolitik gefordert. "Die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik liegt in der Logik der politischen Einigung Europas. Und sie ist unabdingbar, wenn wir unsere Sicherheit effizienter gewährleisten wollen", sagte der FDP-Politiker auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Außenminister Guido Westerwelle will eine stärkere Zusammenarbeit der Nato mit Russland. (Foto: AFP)

Um eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu erreichen, müsse die EU in die Lage versetzt werden, ihre militärischen Operationen effizienter zu planen und durchzuführen. Westerwelle forderte, die EU müsse sich in ihrer gemeinsamen Verteidigungspolitik auch für eine Beteiligung der USA, Russlands oder der Türkei öffnen. "Es ist höchste Zeit, die sinnwidrige Blockade zwischen der EU und der Nato zu überwinden."

Die Umwälzungen in der arabischen Welt würden zeigen, betonte Westerwelle, welch großes Interesse die EU an einem strategischen Dialog und an einer engeren Zusammenarbeit mit der Türkei habe.

"Altlasten der Blockpolitik"

Westerwelle sprach sich außerdem für einen Abzug aller US-Atomwaffen aus Europa nach dem Aufbau eines Raketenabwehrschilds aus. "Reduzierung und schließlich Abzug all dieser taktischen Nuklearwaffen wären ein wichtiger Beitrag zu mehr gesamteuropäischer Sicherheit", sagte der FDP-Politiker.

Die Nato will bis 2020 ein Raketenabwehrsystem in Europa aufbauen, das vom pfälzischen Ramstein aus gesteuert werden soll. Damit werde eine neue strategische Realität geschaffen, mit der man sich der Vision von US-Präsident Barack Obama von einer nuklearwaffenfreien Welt annähere, sagte Westerwelle. Dabei denke er auch an die in Europa stationierten taktischen Nuklearwaffen. "Sie gehören zu den Altlasten der Blockpolitik."

Eine stärkere Zusammenarbeit der Nato mit Russland und anderen Staaten Osteuropas sei allerdings ebenfalls wichtig. "Dauerhafte Stabilität setzt voraus, dass Russland, die anderen Staaten Osteuropas, des Kaukasus und Zentralasiens ihren Platz in der euroatlantischen Sicherheitsgemeinschaft finden", sagte Westerwelle. In Afghanistan etwa gebe es eine Zusammenarbeit mit Russland und damit einen realen Sicherheitsgewinn. "Mehr ist nötig und mehr ist auch möglich."

Mit Blick auf die russische Kritik an dem geplanten Nato-Raketenabwehrschild sagte Westerwelle, es gebe kein Interesse der Nato, durch diesen Streit das Verhältnis mit Russland zu beeinträchtigen. "Statt rote Linien zu ziehen, sollten wir jetzt gemeinsam die Schnittmengen bestimmen." Bis zum Nato-Gipfel im Mai in Chicago müsse mit Nachdruck an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet werden.

"Umfassende politische Garantien, Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen sowie der Austausch von Daten und Experten können Elemente einer Verständigung zwischen der Nato und Russland bilden", fügte der Außenminister hinzu. Außerdem müssten Möglichkeiten einer konkreten Zusammenarbeit bei der Raketenabwehr getestet werden. Deshalb werde Deutschland kommenden Monat eine Raketenabwehrübung von der Nato und Russland ausrichten.

"Eskalation der Worte"

Außerdem warnt Westerwelle vor einer "Eskalation der Worte" im Streit über das iranische Atomprogramm. Eine militärische Auseinandersetzung müsse vermieden werden. Dies sei das Ziel der beschlossenen Sanktionen. Westerwelle betonte zugleich, eine atomare Bewaffnung Irans wäre ein Gefährdung der Sicherheit in der ganzen Welt.

Nach der jüngsten Eskalation der Gewalt in Syrien hatte Westerwelle bereits am Morgen, am Rande der Sicherheitskonferenz, eine Verurteilung des Landes durch den UN-Sicherheitsrat gefordert. "Es ist nun allerhöchste Zeit, dass die internationale Staatengemeinschaft dazu eine klare Position bezieht und die Gewalt des Assad-Regimes in aller Deutlichkeit verurteilt", sagte Westerwelle.

Dafür wolle er sich auch bei seinen Gesprächen mit Spitzenpolitikern aus aller Welt in München mit allem Nachdruck einsetzen. Der UN-Sicherheitsrat in New York stimmt im Laufe des Tages über eine Resolution gegen Syrien ab.#

Die USA sehen in Europa auch weiterhin ihren wichtigsten Sicherheitspartner. US-Außenministerin Hillary Clinton trat den Sorgen in Europa entgegenm, wonach sich die USA als Folge ihrer neuen Verteidigungsstrategie von Europa abwenden könnte. "Europa ist und bleibt der erste und wichtigste Partner der Vereinigten Staaten", sagte Clinton in München. Sie würde sogar sagen, dass die transatlantische Gemeinschaft nie enger war, fügte Clinton hinzu.

Zuvor hatte bereits US-Verteidigungsminister Leon Panetta Europa eine dauerhafte strategische Partnerschaft zugesichert. "Europa bleibt unser Partner für militärische Operationen und für Diplomatie in der Welt", sagte Panetta. Trotz Einsparungen in Höhe von 487 Milliarden Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre wollten die USA "sicherstellen, dass das US-Militär das stärkste der Welt und in der Lage bleibt, die Interessen der USA und ihrer Verbündeten zu verteidigen". "Unser militärischer Fußabdruck in Europa wird auch in Zukunft größer sein als in allen anderen Teilen der Welt", sagte Panetta unter Hinweis auf den Abzug von US-Truppen aus Europa, vor allem aus Deutschland.

Allerdings wollten die USA durch eine neue, flexiblere Verlegung von Truppen, künftig auch Präsenz in Afrika, Lateinamerika und in anderen Regionen der Welt zeigen. Panetta versicherte, die USA wollten auch künftig in Schlüsseltechnologien und besondere Fähigkeiten investieren. Er nannte Spezialkommandos, Computer-Kriegsführung und unbemannte Flugzeuge.

Die USA werden sich außerdem künftig mit einer Kampfbrigade an der Nato-Eingreiftruppe NRF beteiligen, sagte Panetta. Bisher hatten die USA wegen ihrer eigenen Kriegsführung auf eine umfassende Teilnahme an dieser Nato Response Force verzichtet. Panetta zufolge soll bereits in den kommenden Monaten ein Einsatzverband in Bataillonsgröße nach Deutschland verlegt werden, um zu einer gemeinsamen Ausbildung und Übung zu kommen.

US-Präsident Barack Obama hatte im Januar eine neue Verteidigungsstrategie vorgestellt, die den Schwerpunkt auf den asiatisch-pazifischen Raum legt. In der Folge werden 7000 US-Soldaten aus Europa abgezogen. Dazu sollen zwei Kampfbrigaden aus Deutschland aufgelöst werden. Darüber hinaus waren hierzulande Sorgen entstanden, dass die Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa insgesamt unter dieser strategischen Neuausrichtung leiden könnte.

© Süddeutsche.de/dpa/dapd/AFP/Reuters/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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