München:Heimlicher Standort-Nachteil

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Bayerns Landeshauptstadt ist die Heimat vieler deutscher Großkonzerne gewesen, doch es werden weniger. Das nagt am Image.

Von Caspar Busse

Frankfurt ist in Deutschland die Bankenmetropole, die glitzernden Hochhäuser der Geldinstitute prägen die Skyline am Main. Düsseldorf hat schon immer den Ruf als Schreibtisch des Ruhrgebiets. Wolfsburg ist die Autostadt, in der Volkswagen das Leben bestimmt. In Berlin ist die hippe Gründerszene. Wer jung und modern sein will, kommt in die Hauptstadt, um eine Firma zu gründen.

Und München? Hier finden sich vor allem die großen Hauptverwaltungen vieler Konzerne. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs siedelte zunächst Siemens von Berlin nach München über. Die Allianz, die ihre Zentrale in Berlin-Mitte ebenfalls verloren hatte, prüfte noch einige Monate, ob nicht Wiesbaden der bessere Standort sei - und entschied sich dann doch für München. Im Sog dieser beiden Schwergewichte entwickelte sich die bayerische Landeshauptstadt schnell zu einem führenden Wirtschaftsstandort.

Heute haben allein sechs Dax-Unternehmen hier ihren Hauptsitz mit Zehntausenden Jobs - neben Siemens und Allianz sind das BMW, Linde, Infineon und der Rückversicherer Munich Re, dazu kommt eine ganze Reihe etwas kleinerer, aber mindestens ebenso erfolgreicher Firmen. Die Arbeitslosigkeit in der Stadt liegt deutlich unter fünf Prozent (und damit so niedrig wie in kaum einer anderen deutschen Großstadt), die Gewerbesteuereinnahmen sind hoch, die Immobilienpreise noch höher. Die Kehrseite: Bezahlbaren Wohnraum gibt es kaum noch in der Boomstadt München. Ein Ende dieser Entwicklung ist vorerst nicht zu erwarten. Bayerische Gemütlichkeit und wirtschaftlicher Erfolg gehören zusammen. Die Rolle der Hauptverwaltungen ist dabei nicht zu unterschätzen. Hier sitzen das Geld und die Macht, hier fallen die wegweisende Unternehmensentscheidungen.

Für Internet-Unternehmen ist Bayerns Hauptstadt aber weiterhin ein Magnet

Mit MAN verschwindet nun eines dieser Machtzentren. Die Traditionsfirma, die lange zu den 30 größten börsennotierten Firmen in Deutschland zählte, wird vom Mehrheitseigentümer VW zerschlagen. Entscheidungen fallen künftig in Hannover, die Maschinenbauaktivitäten werden womöglich verkauft. Betroffen sind 300 (gut bezahlte) Jobs in der Zentrale. Der große Produktionsstandort in der Stadt ist bisher nicht gefährdet. Zurück wird eine börsennotierte Aktiengesellschaft bleiben, die keine eigenen Geschäftsaktivitäten hat. "Da blutet einem das Herz", sagt ein Beteiligter. Es ist ein trauriges Ende für MAN - und ein Imageschaden für München.

Es ist nicht der erste Rückschlag für die Region: Erst im vergangenen Jahr verlagerte der Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Group, der früher EADS hieß, seine Zentrale ins südfranzösische Toulouse, München verlor massiv an Einfluss. Siemens gab gerade einen deutlichen Stellenabbau in der Hauptverwaltung bekannt, der Konzern schloss in der Vergangenheit auch ganze Standorte wie die Kommunikationsbereiche Telefon, Computer und Netzwerke. Vor zwei Jahren kaufte der Mobilfunkkonzern Vodafone Kabel Deutschland. Das Unternehmen, das in Deutschland fast neun Millionen Kabel-Kunden hat, wird nun von Düsseldorf aus gelenkt. Die Hypo-Vereinsbank, einst das zweitgrößte Geldinstitut in Deutschland , gehört schon lange zum italienischen Konzern Unicredit. Die Entscheidungen fallen nun in Mailand und nicht mehr in München.

Allerdings ist München nach wie vor ein Magnet, auch für junge Internet-Unternehmen. "Von Berlin redet zwar jeder, in München wird aber dann das Geld verdient", sagte vor Kurzem ein Kapitalgeber. So gibt es hier beispielsweise erfolgreiche Online-Händler wie Westwing (Möbel) oder MyTheresa (Mode), aber auch innovative Biotech-Firmen. Gerade aus den Universitäten und Hochschulen der Stadt kommen immer neue Firmengründer. Nicht zu unterschätzen sind dabei die Verbindungen zwischen den großen Unternehmen und den Universitäten. Es entstehen wichtige Netzwerke, Absolventen finden Arbeitgeber vor der Tür. Manche Unternehmen unterstützen die Wissenschaft auch aktiv.

Dazu kommt: München und Umgebung sind attraktiv, viele Vorstandsvorsitzende aus ganz Deutschland haben hier ihren privaten Wohnsitz, etwa Kasper Rorsted von Henkel aus Düsseldorf, Carsten Spohr von Lufthansa aus Frankfurt oder Franz Markus Haniel von der gleichnamigen Familienfirma in Duisburg. Sogar VW-Chef Martin Winterkorn hat sich vor einiger Zeit hier eine Villa gekauft.

© SZ vom 13.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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