München:Der zähe Prozess

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Seit Mai 2013 dauert das Verfahren gegen den NSU vor dem Oberlandesgericht bereits. Inzwischen schleppt sich die Beweisaufnahme dahin. Es geht mal wieder um Fragen an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und Scharmützel mit den Nebenklage-Anwälten.

Von Tanjev Schultz, München

Die Angehörigen der NSU-Opfer warten auf Antworten. Immer noch. Ob und wie Beate Zschäpe ihre vielen Fragen beantwortet, ist weiter nicht klar. Im NSU-Prozess stand am letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause der Mitangeklagte Ralf Wohlleben sowie ein Streit um die Fragen an Zschäpe im Mittelpunkt. Die erhoffte Verlesung einer neuen Erklärung der Angeklagten lässt auf sich warten.

Anwälte der Nebenkläger hatten vor Wochen mehrere Hundert Fragen gestellt. Zschäpes bisherige Einlassungen genügen ihnen nicht, sie wollen mehr wissen über das Zusammenleben mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos und über mögliche Unterstützer. Sie wollen erfahren, warum zehn Menschen sterben mussten, wie die Tatorte und Opfer ausgesucht wurden.

Die Beweisaufnahme im Prozess, der im Mai 2013 begann, könnte eigentlich bald abgeschlossen werden. Viel hängt aber wieder einmal davon ab, wie Zschäpe sich verhält. Jede Antwort könnte weitere Nachfragen zur Folge haben - deshalb ist weiter kaum kalkulierbar, wie lange das Verfahren noch dauern wird. Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer hält viele Fragen der Nebenkläger für unzulässig, beispielsweise nach einem Brieffreund Zschäpes. Die Untersuchung des Gerichts dürfe nicht willkürlich ausgedehnt werden: "Eine überschießende Aufklärung überschreitet den Zweck des Strafverfahrens." Zu beachten sei ferner der Grundsatz der Beschleunigung. Strafverfahren sollen möglichst zügig laufen. Diesen Hinweis halten die Nebenkläger für abwegig, da es doch Zschäpe sei, die mit einem mühsamen Procedere das Verfahren aufhalte. Schließlich sei sie es, die nur schriftlich reagiere. "Wir hätten alle Fragen schon im Dezember erledigen können!", rief der Kieler Rechtsanwalt Alexander Hoffmann in den Gerichtssaal. Am Dienstag ging es lange hin und her, eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Fragen wurde vertagt.

Viel hängt davon ab, wie die Angeklagte sich verhält

Abgesehen von möglichen Erklärungen Zschäpes werden nicht mehr allzu viele Zeugen erwartet. Statt mit Zschäpe befasste sich das Gericht zuletzt vor allem mit Ralf Wohlleben, dem früheren NPD-Funktionär aus Jena, der dem NSU eine Tatwaffe organisiert haben soll. Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München mit seinem Vorsitzenden Manfred Götzl ist nach derzeitigem Stand offenbar von Wohllebens Schuld überzeugt. Das ergibt sich aus Beschlüssen, mit denen der Senat Anträge auf Haftverschonung abgelehnt hat. Demnach muss sich Wohlleben auf eine lange Haftstrafe einstellen.

Am Dienstag trat als Zeuge der ehemalige Leiter des Staatsschutzes in Jena auf. Er sagte, Wohlleben habe sich zurückgehalten, wenn es um militante Äußerungen gegangen sei. "Er war clever genug." Gleichwohl sei Wohlleben Teil des harten Kerns von Jenas rechter Szene gewesen. Der Zeuge zählte auf: Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Holger G., André K., Wohlleben. "Die waren relativ eng verbunden, und das war für uns die gefährliche Gruppe."

Wohllebens Verteidiger stellte weitschweifige Nachfragen, die Befragung schleppte sich dahin, Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten sprach von einem "unerträglichen feuilletonistischen Räsonieren". Vor Gericht hatte sich Wohlleben als friedliebender Mann dargestellt, der nicht gegen Ausländer hetze. Dagegen hat ihn der Mitangeklagte Carsten S. nicht nur mit Blick auf die Waffenbeschaffung belastet. Wohlleben soll Ende der 1990er-Jahre an einer Schlägerei beteiligt gewesen sein. Zu seiner politischen Einstellung stellten die Nebenkläger neue Beweisanträge. Darin zitieren sie aus einer E-Mail mit Liedtexten, die Wohllebens Frau an ihn geschickt haben soll. Ein Lied heiße "Arisches Kind" - mit rassistischem Inhalt: "Und der braune Teddybär sitzt tapfer auf der Wacht, wenn die Untermenschen kommen durch die rabenschwarze Nacht." Die Mail datiere auf den 3. November 2011. Nachgehen wollten die Nebenkläger zudem einem Hinweis eines Online-Portals. Demnach könnte Wohlleben 2008 die E-Mail-Adresse "derrosarotepanther" verwendet haben. In einem 2011 öffentlich bekannt gewordenen NSU-Bekennervideo wird die Figur des rosaroten Panther als Erzähler eingesetzt. Die Bundesanwaltschaft hat die Darstellung zu der E-Mail-Adresse jedoch als zu vage kritisiert und angedeutet, dass Ermittlungen längst das Ergebnis erbracht hätten, dass sich eine andere Person hinter der E-Mail-Adresse verborgen habe.

© SZ vom 03.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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