Mubarak-Prozess in Ägypten:Ein Urteil, das ein Volk beleidigt

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Lebenslange Haft für einen Greis und seinen sadistischen Handlanger: Vielen Ägyptern gehen die Urteile gegen den ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak und seinen Innenminister Habib el-Adli nicht weit genug. Dass die anderen Angehörigen des alten Regimes freigesprochen wurden, schürt den Zorn der Bevölkerung - und schnürt jeglichen Demokratieversuchen die Luft ab.

Sonja Zekri, Kairo

Das Schlimmste ist ausgeblieben: Der Freispruch für Mubarak. Selbst den hatten viele Ägypter für möglich gehalten - so sehr haben sich die politischen Machtverhältnisse im Land seit dem Sturz des Präsidenten im Februar 2011 verändert. Aber ein gerechtes Urteil hat Richter Ahmed Refaat in den Augen vieler nicht gefällt, im Gegenteil: Sie sehen den Spruch als Beleidigung.

Hosni Mubarak war 30 Jahre lang Machthaber Ägyptens. Jetzt wurde er zu lebenslänglicher Haft verurteilt. (Foto: AFP)

Gewiss, Ägyptens greiser Ex-Präsident wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, wenn es schlecht für ihn läuft, wird er im Gefängnis sterben. Auch sein Innenminister Habib el-Adli wurde wegen der Schüsse auf Demonstranten während des Aufstandes gegen Mubarak zu 25 Jahren verurteilt. Noch aber residiert Mubarak überhaupt nur in einem komfortablen Krankenhaus.

Und Gamal und Alaa Mubarak, die beiden Söhne, verhasst für ihre Gier nach Macht und Geld - Gamals geplante Inthronisierung als Nachfolger hatte für viele Ägypter damals das Fass zum Überlaufen gebracht - wurden vom Vorwurf der Korruption freigesprochen, ebenso wie Mubarak. Auch kein einziger der angeklagten Polizeioffiziere wird für die Gewalt gegen die Menschen auf dem Tahrir-Platz zur Verantwortung gezogen.

25 Jahre für einen Greis und einen sadistischen Handlanger, die von höheren Instanzen je nach politischer Großwetterlage demnächst begnadigt werden können, eine Farce, ein Täuschungsversuch, so sehen es viele.

Tausende Ägypter wurden im vergangenen Jahr in Schnellverfahren vor Militärgerichten wegen Kleinigkeiten zu langen Haftstrafen verurteilt, aber kaum ein Polizist, kaum ein Soldat wurde für einen Mord an Demonstranten zur Verantwortung gezogen. Und nun erlebt das erschöpfte, aufgewühlte Land das bislang prominenteste Beispiel von Zweiklassenjustiz.

Die Verbindung zwischen den alten Machthabern, den regierenden Generälen und den starken Männern des alten Regimes, die ihre Rückkehr planen, schnürt den schwachen Demokratieversuchen die Luft ab, so sehen es viele. Schon bereiten die erbitterten Mubarak-Gegner neue Proteste vor, im Gerichtsaal kam es zu Tumulten, vor den Toren der Verhandlung trennten Hundertschaften von Polizisten Gegner und Anhänger Mubaraks. Tage des Zorns in Ägypten.

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