Mit Putin auf der Hannover Messe:Merkels deutliche Worte - und die Attacke der Nackten

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"Natürlich ist es eine Störung, wenn Festplatten einfach kontrolliert werden": Mit ungewöhnlich deutlichen Worten kritisiert Kanzlerin Merkel auf der Hannover Messe das rabiate Vorgehen russischer Behörden gegen politische Stiftungen. Russlands Präsident Putin wiegelt ab - und lässt sich auch vom Protest halbnackter Aktivistinnen nicht beeindrucken.

Für Angela Merkel, die ihre Worte stets mit Bedacht wählt, und lieber einmal zu viel abwartet, ehe sie mit unüberlegten Handlungen vorprescht, war es eine deutliche Ansage.

Bereits am Sonntagabend hatte die Kanzlerin bei der Hannover Messe, die Merkel gemeinsam mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eröffnete, auf eine aktive Zivilgesellschaft in Russland gedrungen. Die beiderseitige Zusammenarbeit "gelingt dann am besten, wenn es eine aktive Zivilgesellschaft gibt", sagte Merkel. Wichtig sei dabei auch, Nichtregierungsorganisationen "eine gute Chance" zu geben.

Am Montag, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, wiederholte Merkel ihre Kritik sogar noch einmal. "Es geht darum, so habe ich es für uns deutlich gemacht, dass die NGOs gut und frei arbeiten können", sagte die Kanzerin. Und weiter: "Natürlich ist es eine Störung und ein Eingriff, wenn Festplatten einfach kontrolliert werden."

Menschenrechtler loben Merkel

Das ist deutlich. So deutlich, dass Merkel sogar ein Lob von Menschenrechtlern bekam: Merkel könne "nach unserem Geschmack noch kräftiger sprechen, aber es ist doch immerhin ein Anfang", sagte etwa Wenzel Michalski, der Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Deutschland, im Deutschlandradio Kultur. Er hoffe, "dass sich auch andere europäische Staatschefs da eine Scheibe abschneiden".

Bislang stehe Merkel in Europa "relativ auf einsamer Flur". Auch in Deutschland stehe die Kanzlerin ziemlich allein da, sagte Michalski. Er warf insbesondere dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück vor, sich nicht deutlich genug zu äußern.

Putins Deutschland-Besuch fällt in eine Zeit politischer Verstimmung zwischen beiden Staaten. In den vergangenen Tagen und Wochen waren in Russland Hunderte Nichtregierungsorganisationen von der Staatsanwaltschaft und anderen Behörden kontrolliert worden. Betroffen waren auch Büros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

Bereits am Sonntag hatte es deshalb in Hannover Proteste gegen das russische Vorgehen gegeben. Der so kritisierte russische Präsident Putin verteidigte auf der Messe das Gesetz zur Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland. Ähnliche Gesetze wie in Russland gebe es auch in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA. Seine Regierung müsse einen Überblick über die finanzielle Unterstützung russischer NGOs haben, so Putin. In den ersten vier Monaten des Jahres seien mehrere Milliarden Euro aus dem Ausland an russische NGOs geflossen, das sei "besorgniserregend".

Sowohl Merkel als auch Putin spielten einen Zwischenfall während des traditionellen Messerundgangs herunter. Mehrere barbusige Demonstrantinnen, die vermutlich zur Aktivistengruppe Femen gehörten, hatten Putin als Diktator beschimpft. "Wir sind ein freies Land, und man kann demonstrieren", sagte Merkel, die allerdings den Ort der Aktion kritisierte. "Ob man in Deutschland zu einer solchen Notmaßnahme greifen muss, daran habe ich meine Zweifel."

Ihm habe die Aktion der Frauen "gefallen", sagte der russische Präsident. "Ich sehe darin nichts Schreckliches. Aber wenn man eine politische Diskussion will, müsste das auch angekleidet gehen." Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes hatte die Aktion zuvor als Rowdytum bezeichnet.

Putin betonte, dass es in der Frage des Umgangs mit der Zivilgesellschaft Unterschiede mit Merkel gebe. Beide hätten das Thema bei dem Abendessen am Sonntag intensiv diskutiert. Zugleich betonten beide, dass sie die Beziehungen zwischen beiden Ländern vertiefen wollten. "Russland ist für Deutschland ein wichtiger, strategischer Partner. Wir haben intensivste Kontakte, die wir fortsetzen wollen", sagte die Kanzlerin.

© Süddeutsche.de/dpa/gal/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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