Merkel:Merkels Warten ist nicht Seehofer geschuldet

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Merkel beim Sommerinterview der ARD vor dem Reichstag (Foto: dpa)

Vielleicht weiß Angela Merkel selber noch nicht, ob sie im Jahre 2017 noch einmal die Kanzlerschaft anstreben soll. Ein Gedanke aber ist aberwitzig: dass sie ihre Entscheidung aus Angst vor der CSU verzögert.

Kommentar von Nico Fried

Angela Merkel legt nach dem Urlaub ein beachtliches Pensum hin. Sieben Tage die Woche ist eine Kanzlerin zwar immer im Dienst, aber nicht immer so demonstrativ wie Merkel in den vergangenen Tagen. Europa-Reise, Wahlkampf, Sommer-Interview, Tag der offenen Tür - doch die Botschaft ist nicht eindeutig: Entweder will Merkel mit ihrem Tatendurst zeigen, dass mit ihr weiter gerechnet werden soll. Oder aber die Kanzlerin beabsichtigt, noch möglichst viel zu erledigen, ehe sie erklärt, dass sie für eine vierte Amtszeit nicht zur Verfügung steht.

Merkel hat nach ihrem letzten Wahlsieg früh signalisiert, über die nächste Kandidatur erst spät zu entscheiden. Das ist ihr gutes Recht, ein viertes Mal will gut überlegt sein. Das Umfeld ihres Vertrauens verhielt sich entsprechend: In der vergangenen Legislaturperiode hatte Volker Kauder schon zweieinhalb Jahre vor der Wahl Merkel mit ihrer Billigung als Kandidatin ausgerufen. Diesmal schweigt der Fraktionschef. Und auch jene CDU-Größen, die sich nun für Merkel aussprechen, äußern einen Wunsch - aber ist es auch Wissen?

Merkels Abwägung hat viele Facetten: Auch ein Job, der Freude macht, kann verschleißen. Und von den bislang elf Jahren dieser Kanzlerin war fast jedes intensiver als das vorige. Die junge Ministerin Merkel wiederum saß einst bei Helmut Kohl in dessen letzten Jahren mit am Tisch, als der Kanzler immer weniger zuwege brachte, sich trotzdem für unersetzlich hielt und schließlich abgewählt wurde. Deshalb könnte es Merkel durchaus reizen, über ihren Abgang selbst zu bestimmen. Eine Regierungschefin, die sich bisweilen sorgt, dass die Deutschen im Angesicht der Globalisierung zu sehr an Gewohntem festhalten, kann zudem nicht wollen, selbst zu einer Kanzlerin zu werden, die manch einer vielleicht nur wählt, weil man nichts Neues ausprobieren will.

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Gewiss, ein Verzicht Merkels würde von Kritikern als Kapitulation vor der Flüchtlingskrise ausgelegt. Das könnte ihr bei dem, was sie schon ausgehalten hat, wurscht sein. Und man kann das auch anders sehen: Um die Fixierung der Flüchtlingsdebatte aufzubrechen, die sich so oft an der Frage aufhält, ob Merkel mit ihrer Willkommenspolitik dem Land Ehre gemacht oder Schaden gebracht hat, könnte ein Wechsel sogar hilfreich sein. Eine Kanzlerin Ursula von der Leyen, als Beispiel, die klar zu Merkels Entscheidung stand, könnte gleichwohl viel freier agieren bei der Bewältigung der Folgen.

Und über die Bedeutung der Flüchtlingspolitik wird - wie bei Schröders Agenda- und Irak-Politik - die Geschichte entscheiden, nicht die Kanzlerin, und wenn sie's noch zehn Jahre bliebe.

Vielleicht weiß Merkel selbst noch nicht, was sie will. Die Vorstellung aber, sie verzögere ihre Entscheidung aus Angst vor der CSU, ist aberwitzig. Im Gegenteil: Horst Seehofer zu erleben, wie er nach Monaten von Schimpf und Schande gegen Merkel wieder in die Kurve biegt, wäre allein schon ein Grund, sich ihre erneute Kandidatur zu wünschen. Merkels Warten ist nicht Seehofer geschuldet. Es hilft ihm.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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