McCain-Vize Palin:Das politisierte Baby

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Aus der Not wird eine Tugend: Bristol Palin und ihr Freund, werdende Teenager-Eltern, posieren beim Republikaner-Konvent - ein Kniff, der den erzkonservativen Nimbus Sarah Palins kittet.

Oliver Das Gupta

Der Appell Sarah Palins klang eindringlich: Ja, Tochter Bristol, 17 Jahre jung und unverheiratet, sei schwanger, erklärte die republikanische Kandidatin für das Amt des US-Vizepräsidenten. Nun möge man die Privatsphäre der werdenden Mutter achten, wie dies bei Kindern von Kandidaten bisher Sitte gewesen sei.

Umjubelt auf dem Republikaner-Konvent: Sarah Palin (re.) mit Sohn Trig auf dem Arm sowie ihre schwangere Tochter Bristol und deren Freund Levi Johnston (Foto: Foto: AFP)

Das war vergangenen Montag. Zwei Tage später scheint es sich die resolute Gouverneurin von Alaska anders überlegt zu haben: Die Schwangerschaft ist nun Teil der pompös inszenierten Kandidatenkür von Amerikas Konservativen in Saint Paul.

Tochter Bristol und ihr Freund Levi Johnston, ebenfalls 17 und zuvor eingeflogen, wurden vor die Kameras geschickt. Hand in Hand - wobei bemerkenswerterweise ihre die seine hielt - erwartete das junge Paar zusammen mit der Palin-Familie John McCain am Flughafen von Minneapolis. Der Senator umarmte Bristol Palin zweimal, drückte Levi Johnston die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. Eine heile Welt, von Fotografen dankend dokumentiert.

Eine Schwangerschaft, die für manche sündig ist

Der zweite Akt der sorgsam geplanten Inszenierung folgte anschließend auf dem Parteitag: Sarah Palin hatte gerade ihre Nominierungsrede hinter sich gebracht, als McCain überraschend auf der Bühne erschien.

Da stand er nun, der Kandidat und seine Wunsch-Stellvertreterin. Sie hatten es geschafft, zumindest heute und hier, auf dem Konvent von St. Paul. Der "Fehler" war behoben werden - "Fehler" aus der Sicht jener Evangelikal-Konservativen, zu denen sich auch Sarah Palin zählt und deren Wählerstimmen sie für McCain binden soll. Bei den frömmelnden Amerikanern ist eine schwangere unverheiratete Minderjährige Sünde. Sarah Palin drohte an den ehernen Geboten ihrer erzkonservativen Welt zu scheitern - und das nach wenigen Tagen.

Gerade mal eine Woche ist es her, dass John McCain die 44-jährige Politikerin überraschend zu seinem Running Mate machte. Anfangs schien sie das Ebenbild einer Powerfrau der politischen Rechten Amerikas zu sein: Eine, die es schafft, Gouverneurin eines Bundesstaates zu sein und gleichzeitig Mutter von fünf Kindern, ein stolzes Mitglied der Evangelikalen und Abtreibungsgegnerin, eine, die zum Jagen geht, den Irakkrieg unterstützt - und irgendwie doch modern wirkt. Die Gouverneurin macht sich auch stark für Programme, die sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe propagieren. Und sie ist eine erklärte Gegnerin von Sexualaufklärung an Schulen.

Eine Nachricht wie eine "Bombe"

"Seelenverwandt" seien sie, fand John McCain, als er sie seinen Parteifreunden am vergangenen Freitag vorstellte. Im Hintergrund war damals Palins Familie angetreten, darunter auch Tochter Bristol. Auf den Fotos wirkt das Mädchen angespannt. Auf dem Arm hielt sie ihren im April geborenen Bruder Trig - und kaschiert so, dass sie im fünften Monat ist.

Die Nachricht von Bristols Schwangerschaft wurde gestreut, als Hurrikan Gustav eigentlich die Schlagzeilen beherrschte. Doch der Sturm brachte nicht die Katastrophe, die Medien richteten den Blick auf Bristol Palins Baby. Eine "Bombe" sagte eine CNN-Moderatorin immer wieder, eine "Bombe".

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Die New York Times und andere Medien hatten inzwischen das getan, was das McCain-Team offenbar versäumt hatte: Die Kandidatin gründlich zu durchleuchten.

John McCain mit seiner Vize Sarah Palin bei ihrer Vorstellung. Im Hintergrund: Palins Tochter Bristol. Zu diesem Zeitpunkt war ihre Schwangerschaft noch nicht öffentlich bekannt (Foto: Foto: Reuters)

So erfuhr die staunende Öffentlichkeit, dass sich Palin zwischenzeitlich in einer Partei engagiert hatte, die die Loslösung Alaskas von den USA betreibt. Oder, dass der Gouverneurin vorgeworfen wird, ihre Stellung dazu genutzt zu haben, den Rausschmiss eines Polizisten zu forcieren - ihrem Ex-Schwager.

Es gibt noch weitere Kritikpunkte an Sarah Palin, doch der explosivste von allen dürfte Bristols Baby gewesen sein. Mit dessen Entschärfung begannen die republikanischen Wahlkämpfer gleich mit Palins offizieller Bestätigung der Schwangerschaft. Todd und Sarah Palin zeigten sich als liebende Eltern, die sich auf den Enkel freuen - und verkündeten, dass ihre Bristol und der Kindsvater bald heiraten.

Teil eins der Flucht nach vorne folgte die Offensive: die harsche Attacken auf die kritische Berichterstattung über Palin: Es handele sich um einen "falschen Medienskandal mit dem Ziel, die erste republikanische Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten kaputtzumachen", schimpfte etwa Steve Schmidt, der führende Wahlkampfberater McCains.

"Gebt ihr eine Chance", forderte der frühere New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani die Öffentlichkeit auf. Mit ähnlich scharfem Ton nahmen andere Konservative Vertreter Mutter und Tochter vor angeblichen Attacken der "liberalen Medien" in Schutz.

Die Palins hießen das ungeborene Baby willkommen und seien "ein wunderbares Beispiel für andere Familien", lobte Wendy Wright vom Verband Concerned Women for America. Konservative Wagenburgmentalität wie im Wilden Westen.

Auch Palin schlug bei ihrer Rede in dieselbe Kerbe. Sie geißelte die Berichterstattung über Bristols Schwangerschaft. Solche Medien gehörten wie die Demokraten der "Washingtoner Elite" an, polterte Palin. Dazu gehöre sie nicht. Sie wolle Washington aufmischen.

Nach der Rede steht die Familie im Rampenlicht. Präsidentschaftskandidat McCain taucht auf, er gratuliert. Levi Johnston steht mit auf der Bühne, Bristols Babybauch spannt, sie lacht. "Was für eine schöne Familie", ruft McCain. Das Parteivolk tobt und diktiert den Reportern später in die Blöcke, wie sehr sie diese fromme Frau begeistert.

Die Rechnung der Parteistrategen scheint aufgegangen zu sein: Bristol Palins Schwangerschaft hat vielen Republikanern die frömmelnde Mutter nur noch sympathischer gemacht.

Der erzkonservative Nimbus der Sarah Palin konnte gekittet werden - zumindest vorerst. Binnen weniger Tage transformierten die Spin Doctors Bristols Baby von einem sündigen zu einem allgemein freudig aufgenommenen Fakt. Doch die politisierte Schwangerschaft fordert von dem jungen Paar, neben dem situationsbedingten Zwang zu heiraten, einen hohen Preis: Wenn man sich ins Rampenlicht stellt, ist die Privatsphäre dahin - genau das, was Sarah Palin mit ihrem Appell verhindern wollte.

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