Magnitskij-Prozess in Russland:Toter Anwalt schuldig gesprochen

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Posthum verurteilt: Sergej Magnitskij (Foto: AFP)

Urteil gegen einen Toten: Ein russisches Gericht hat den Anwalt Sergej Magnitskij posthum der Steuerhinterziehung für schuldig befunden. Damit nimmt die langjährige Affäre nach Einschätzung von Menschenrechtlern endgültig absurde Züge an. Der Jurist war unter ungeklärten Umständen in Haft gestorben.

Ein russisches Gericht hat den in Haft gestorbenen Anwalt Sergej Magnitskij posthum wegen Steuerbetrugs schuldig gesprochen. Das meldete die Agentur Interfax aus dem Gerichtssaal in Moskau. Eine Strafe gegen den Toten wird allerdings nicht verhängt. Der gegen Magnitskij geführte Prozess endet an dieser Stelle. E

Das Strafverfahren war international als absurd kritisiert worden, weil sich ein Toter nicht verteidigen könne. Menschenrechtler werfen der Justiz vor, damit den Ruf des regierungskritischen Anwalts nachträglich beschmutzen zu wollen. Magnitskijs Familie und ihre Anwälte kritisierten das Verfahren als einen Missbrauch der Justiz.

Das Gericht habe auch Magnitskijs früheren Chef William Browder vom Finanzunternehmen Hermitage Capital in Abwesenheit schuldig gesprochen und zu neun Jahren Haft verurteilt, hieß es. Das Gericht folgt damit den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Tod in Untersuchungshaft

Erst im März dieses Jahres hatte die russische Justiz ihre Ermittlungen zum Tod des Anwalts ergebnislos eingestellt. 2008 war Magnitskij verhaftet worden. Nach fast einem Jahr Untersuchungshaft war der 37-Jährige 2009 in einem Moskauer Gefängnis, vermutlich in Folge von Misshandlungen durch russische Beamte, gestorben. Zunächst hatten die Behörden Herzversagen festgestellt, dann kam eine Untersuchungskommission zu dem Schluss, dass Magnitskij an einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse gelitten hatte und wegen unterlassener ärztlicher Hilfeleistung starb.

Der Anwalt war in Russland wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen worden, nachdem er einen Korruptionsskandal staatlicher Stellen aufgedeckt hatte. Magnitskij, der als Anwalt und Berater für Hermitage gearbeitet hatte, hatte russischen Funktionären vorgeworfen, den Staat um 230 Millionen Dollar betrogen zu haben. Gemeinsam mit Browder soll er der Staatsanwaltschaft zufolge mehr als 500 Millionen Rubel (etwa 13 Millionen Euro) an Steuern hinterzogen haben.

In der Folge des Korruptionsskandals hatte der US-Kongress im Dezember Sanktionen gegen russische Funktionäre beschlossen, die für den Tod des Juristen verantwortlich sein sollen, den sogenannten Magnitsky Act. Das russische Parlament beschloss als Reaktion darauf ein Gesetz zum Verbot von Adoptionen russischer Kinder durch US-Bürger.

© dpa/AFP/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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