Auf Öffentlichkeitswirkung versteht sich Muammar el Gaddafi. Wenn der libysche Revolutionsführer zum vierten Mal binnen eines Jahres nach Italien kommt, um den Freundschaftsvertrag zu feiern, dann bringt er diesmal 30 Berber-Reiter samt Vollblutpferden mit. Und wieder heuert er über eine Modelagentur mehrere hundert hübsche Frauen an, die er mit Koranen beschenkt. Den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi lädt er zum Iftar ein, dem Abendmahl nach dem Ramadan-Fasten. "Der Islam muss Europas Religion werden", predigt Gaddafi.
Tatsächlich aber geht es dem Libyer darum, die Wiedergutmachung für die Kolonisierung seines Landes durch die Italiener festzuklopfen, die er bei Abschluss des Vertrags vor zwei Jahren in Benghasi vereinbart hatte. Der sieht Investitionen von fünf Milliarden Euro vor, und tatsächlich sind die Italiener seither zum wichtigsten Handelspartner geworden. Vor allem ist Gaddafi am baldigen Bau der 1700 Kilometer langen Küsten-Autobahn von der tunesischen bis zur ägyptischen Grenze interessiert. Sie soll zur Klammer zwischen Tripolitanien im Westen und der Cyrenaika im Osten werden, den beiden Landesteilen, die sich politisch und sozial noch immer fern sind. Waffen möchte Libyen außerdem.
Um seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen, kann Gaddafi den Strom der Migranten über das Mittelmeer steuern. Seine Verpflichtungen, die Auswanderer festzuhalten und nach Schwarzafrika zurückzuschicken, erfüllt er ohne Rücksicht auf Kritik von Menschenrechtlern. Es muss kein Zufall sein, dass die Zahl der Flüchtlinge, die erheblich nachgelassen hatte, vor der Visite in Rom wieder etwas gestiegen ist.