Libyens Zukunft:Nur ohne Gaddafi

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Alleinherrscher wie der libysche Diktator sind unfähig zum Kompromiss mit ihren Gegnern. Daher muss sich die Welt wohl daran gewöhnen, dass sie die Verantwortung für Libyen nicht so schnell los wird.

Sonja Zekri

Deutschland schickt möglicherweise Bodentruppen nach Libyen - wenn die EU, die UN, wohl auch die Nato es wollen, und selbstverständlich in rein humanitärer Mission. In dieser Ankündigung liegt, neben aller Verblüffung über die Kehrtwende der Koalition, eine große Ironie: Deutschland ringt sich zum Militäreinsatz in Libyen gerade in jenem Moment durch, in dem die Aufständischen sich vom westlich-arabischen Bündnis verraten, ja bedroht sehen.

Bilanz: Drei Wochen Libyen-Krieg
:Kein Ende in Sicht

Als die ersten Bomben fallen, sprechen die Alliierten von ein paar Tagen - inzwischen fliegen die Nato und ihre Verbündeten seit drei Wochen Angriffe gegen Gaddafi. Die Lage der Rebellen hat sich nicht merklich gebessert - und alle Beteiligten suchen nach einem Ausweg.

in Bildern.

Dass Bomben der Allianz fünf Rebellen in ihren Panzern getötet haben, mag an mangelhafter Kommunikation liegen. Die Aufständischen fahren noch nicht lange in T55-Panzern herum, aus der Luft mögen sie darin wie eine Gefahr für Zivilisten gewirkt haben. Aber der verheerende Luftschlag zeigt auch, wie sehr Gaddafi-Gegner und Nato aneinander vorbei operieren. Die Aufständischen betrachten die westlichen Kampfjets als Luftunterstützung in eigener Sache, die Nato aber beharrt darauf, dass sie die Bevölkerung schützt. Das Bündnis macht keine Anstalten, den Rebellen den Weg nach Westen frei zu bomben, so wie es französische Flugzeuge anfangs getan haben.

Die Frustration der Aufständischen über die Nato spiegelt diese Ohnmacht wider: Selbst wenn sie mit Hilfe der Militärkoalition den Aufruhr nach Tripolis tragen könnten, würden sie ihren Herrschaftsanspruch im Land nie allein durchsetzen können.

So wenig die Sache der Rebellen militärisch vom Fleck kommt, so unerfreulich sind die politischen Perspektiven. Der Enttäuschung über die Nato könnte bald die Entfremdung vom Westen folgen, zur Freude radikalislamischer Kräfte, die derzeit nur in Spurenelementen vorhanden sind. Und die Vermittlungsangebote, etwa aus der Türkei, werden in der Rebellenhochburg Bengasi zwar nicht rundweg abgelehnt, aber sie gehen am Kern des Konflikts vorbei. Gewiss wäre es im Sinne der geschundenen Menschen in der belagerten Stadt Misrata, wenn sich die Kampfparteien auf einen Waffenstillstand einigten und Gaddafi seine Raketenwerfer abzöge. Aber solange der "Bruder Führer" oder auch nur einer seiner Söhne an der Macht bleiben, waren alle Opfer im Namen der Freiheit umsonst.

Die Ausschaltung des Herrschers - im mildesten Fall als Exil, im brutalen als Tod des Tyrannen - ist für die Revolten im Nahen Osten mehr als ein symbolischer Akt. Wo sich alle Macht in den Händen eines Einzigen konzentriert, der parlamentarische Surrogate und Wirtschaftsleben unter seiner Sippe aufteilt, ist jeder Wandel ohne den Despoten zwar ungewiss, aber mit ihm unmöglich. Der Herrscher ist das System und damit - wie Ägyptens Mubarak, Tunesiens Ben Ali, womöglich auch Syriens Assad - strukturell unfähig zum Kompromiss. Zielführender als die Gedankenspiele über eine quasi dynastische Machtübergabe an einen der Gaddafi-Söhne wäre es deshalb, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Welt die Verantwortung für Libyen nicht so schnell los wird.

© SZ vom 09.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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