Libyen:Rebellen sollen Gaddafis Giftgas sichergestellt haben

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Die neue libysche Führung hat einen weiteren Erfolg gegen die noch immer kämpfenden Gaddafi-Truppen errungen: Die Giftgas-Vorräte des Diktators befinden sich nach Angaben von Sicherheitskreisen unter der Kontrolle der Rebellen. Die Stadt Sirte ist allerdings weiter heftig umkämpt. Der Nato dementiert Vorwürfe eines Gaddafi-Sprechers, dabei seien auch Zivilisten getötet worden.

Eine schreckliche Waffe in der Hand eines unberechenbaren Diktators: Besonders Gaddafis Giftgas-Vorräte haben den Westen immer besonders beunruhigt. Und auch nachdem der Dikator von der Macht vertrieben wurde, blieb die Gefahr, dass versprengte Anhänger des ehemaligen Machthabers Zugang zu dem Giftgas haben und es gegen die Rebellen einsetzen könnten.

Nach Berichten aus Sicherheitskreisen ist es den libyschen Rebellen offenbar gelungen, die Giftgas-Vorräte des ehemaligen Dikators sicherzustellen. (Foto: dpa)

Jetzt könnte diese Sorge der Vergangenheit angehören: Das vom Gaddafi eingelagerte Giftgas befindet sich nach Informationen des Tagesspiegel in der Hand der Rebellen. Diese hätten die Bestände an Senfgas "unter ihrer Bewachung". Die Übernahme durch die Rebellen sei durch Satellitenaufnahmen belegt, war nach dem Bericht des Blattes in internationalen Sicherheitskreisen zu hören.

Das Senfgas sei in der Chemieanlage Ruwagha 600 Kilometer südöstlich der Hauptstadt gelagert. Die Nato überwacht den Komplex aus der Luft. Verlässliche Angaben, wie viel Senfgas in Libyen gelagert ist, gibt es nicht. Das Gaddafi-Regime, das 2004 der internationalen Chemiewaffenkonvention beitrat, meldete einen Bestand von 23 Tonnen. Internationale Experten vermuten, dass mindestens die Hälfte der Senfgas-Bestände noch existiert. Die für chemische Kampfeinsätze nötigen Kartuschen und Granaten sollen allerdings noch zu Gaddafis Zeiten vernichtet worden sein.

Gaddafi-Sprecher beklagt Tote durch Nato-Angriffe

Auch wenn die Kontrolle über das Giftgas ein weiterer Erfolg für die Rebellen wäre, der Kampf gegen das alte Regime ist noch nicht endgültig überstanden: Besonders um Gaddafis Geburtstadt Sirte wird weiterhin heftig gekämpft. Dabei hat ein Sprecher des gestürzten Machthabers schwere Vorwürfe gegen die Nato erhoben: Bei Luftangriffen des westlichen Militärbündnisses seien Wohnhäuser getroffen und mehr als 350 Menschen getötet worden, sagte Mussa Ibrahim der Nachrichtenagentur Reuters. Insgesamt seien durch das Nato-Bombardement Sirtes binnen 17 Tagen mehr als 2000 Menschen ums Leben gekommen.

Die Nato hat die Vorwürfe inzwischen zurückgewiesen: Es seien eindeutig nur militärische Ziele bombardiert worden. Ein Militärsprecher kündigte jedoch eine genaue Prüfung an. Flugzeuge der Nato hätten in der Nacht Kommandozentren, Radaranlagen, gepanzerte Fahrzeuge und Raketensysteme angegriffen. Die Nato tue "alles in ihrer Macht stehende, um die Beeinträchtigung der Zivilbevölkerung zu vermeiden", heißt es in der Erklärung.

Die aus der Rebellenbewegung hervorgegangene Übergangsregierung ist im Ringen um die Kontrolle Sirtes auf heftigen Widerstand der Gaddafi-Getreuen gestoßen. Einheiten, die vom Westen in Wohngebiete der Stadt vordrangen, wurden von den Gaddafi-Anhängern unter Feuer genommen, es folgten blutige Straßenkämpfe. Verletzte wurden in ein außerhalb Sirtes aufgeschlagenes Feldlazarett gebracht.

Auch in Bani Walid haben Anhänger des abgetauchten Diktators eine Gegenoffensive gestartet. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, nahmen sie am Samstag eine Stellung der Gaddafi-Gegner wenige Kilometer vor dem Stadtzentrum unter heftigen Raketenbeschuss. Die Stellung sei durch mindestens sieben Raketen komplett zerstört worden, berichtete ein Kämpfer, der sich rechtzeitig in ein leerstehendes Haus retten konnte.

Nach heftigen Gefechten am Freitag hatten sich die Kämpfer der neuen libyschen Führung zunächst aus dem Zentrum der südlich von Tripolis gelegenen Wüstenstadt zurückgezogen. Am Samstag drangen sie erneut in die Stadt vor.

Gaddafis Sprecher erklärte, seine Anhänger seien ausreichend bewaffnet und in der Lage, den Kampf monatelang fortzusetzen. Gaddafi selbst halte sich in Libyen auf und habe in dem Kampf gegen die Übergangsregierung das Oberkommando.

Westerwelle begrüßt Aufhebung der Sanktionen

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat unterdessen die vom Weltsicherheitsrat beschlossene Lockerung der Sanktionen gegen Libyen als Startschuss für den Wiederaufbau des nordafrikanischen Landes begrüßt. "Der Sicherheitsrat hat mit der einstimmigen Annahme der Resolution ein wichtiges Zeichen der Unterstützung des neuen Libyen durch die internationale Staatengemeinschaft gesetzt", sagte Westerwelle laut Mitteilung des Auswärtigen Amtes.

Der Sicherheitsrat hatte in der Nacht zum Samstag die Sanktionen gegen Libyen gelockert. Die teilweise Aufhebung der Sanktionen umfasst die Freigabe der Konten der großen staatlichen Ölunternehmen. Auch die großen Banken des Landes können wieder mit ausländischen Partnern arbeiten. Das strikte Waffenembargo wurde gelockert, das völlige Flugverbot aufgehoben. Zudem beschloss das mächtigste UN-Gremium die Entsendung einer zivilen Mission nach Libyen.

© dpa/Reuters/olkl - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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