Länderfinanzausgleich:Das Versagen der Länder

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Viele Milliarden werden zwischen Bund und Ländern hin- und hergeschoben - und doch herrscht in manchen Regionen Elend. So konnte es nicht weitergehen, weshalb der neue Finanzpakt so übel nicht ist.

Kommentar von Joachim Käppner

Gerhard Schröder sagte als Bundeskanzler einmal über die komplexen Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Es gebe nur wenige Experten, die das System verstünden; die aber seien außerstande, es zu erklären. Und die Politiker, die es erklären müssten, verstehen es eigentlich nicht. Man fühlte sich am Wochenende an dieses Bonmot erinnert. Alle Beteiligten des Kompromisses zwischen Bund und Ländern, der das Ende des alten Länderfinanzausgleiches bedeutet, stellen sich als Sieger hin, und das Publikum rätselt.

So viel ist klar: Finanztechnisch ist eher der Bund, politisch ist der Bundesfinanzminister der Verlierer des langen Streits mit den Ländern ums Geld. Keinem Land wird es schlechter gehen, im Gegenteil. Der Bund erhält zwar zusätzliche Kompetenzen, doch anstelle der reichen Länder wird nun er viele zusätzliche Milliarden in die armen pumpen müssen. Die Frage ist aber, ob die Kategorien von Sieg und Niederlage hier passen und ob das, was da eigentlich beschlossen wurde, zum allgemeinen Wohle ist. Denkt man zurück, was das Grundgesetz eigentlich wollte - dann ist der neue Finanzpakt so übel nicht und bei allen Mängeln im Detail gewiss besser als der alte.

Eigentlich hatte die Verfassung mit dem Länderfinanzausgleich ein System der Solidarität schaffen wollen, in dem die Stärkeren die Schwächeren finanziell mittragen. Aber es mutierte mit den Jahrzehnten zum Monster, undurchschaubar, schwerfällig, unpräzise, und vor allem: zu wenige Zahler. Vor allem Bayern und Baden-Württemberg überwiesen am Ende zu viele Milliarden an zu viele Empfänger.

Die CSU schürte das Thema, um sich und Bayern einmal mehr als Vorbild aufzudrängen: Schaut her, ihr Versager, so geht ordentliches Wirtschaften. Nicht so gern erwähnten die Bayern, dass sie selber einst Kostgänger der Nettozahler von Rhein und Ruhr waren, als dort die Schlote noch rauchten. Ganz falsch ist der Vorwurf nicht, dass die Reichen die Solidarität verweigerten. Freilich hat sich in manchen Nehmerländern längst eine Haltung vorwurfsvollen Forderns, ja des Undanks ausgebreitet. Es vergrößerte die Spendierfreude in Süddeutschland gewiss nicht, wenn sich ausgerechnet Berlin, wo man Nehmen ohnehin für seliger denn Geben hält, als "arm, aber sexy" selbst feierte.

Entscheidender noch als die Entfremdung zwischen Zahlern und Empfängern war: Der Finanzausgleich hielt immer weniger, was er versprochen hatte. Viel Geld floss, aber je komplizierter und umkämpfter das System wurde, desto weniger bewirkte es. Das Gefälle zwischen Boom-Regionen und verödenden Landstrichen wird größer (und dass es in Süditalien oder Nordengland noch schlimmer aussieht als in Hagen oder der Uckermark, ist schwerlich ein Trost). Die Bundesländer, stets begierig, weniger zu zahlen oder mehr ausgezahlt zu bekommen, gaben ihrerseits zu wenig an die Gemeinden weiter, die es am dringendsten gebraucht hätten. All das umverteilte Geld hat nicht verhindert, dass etliche Städte des armen Westens verkommen. Es hat nichts daran geändert, dass Bürger dort schon über "No-go-Areas" klagen, wo selbst die Polizei nur noch in Mannschaftsstärke auftauche. Daran mag manches übertrieben sein. Aber wenn so viele Kommunen ohne eigene Schuld außerstande sind, aus eigener Kraft auf die Füße zu kommen, kann das System nicht viel taugen, das es so weit kommen ließ.

Der bisherige Finanzausgleich ist ein Irrgarten des Föderalismus

Es war auch eine Illusion, möglichst breite Umverteilung werde möglichst viel Gleichheit und Gerechtigkeit schaffen. Der Finanzausgleich bleibt zwar nötig, damit schwache Länder nicht den Anschluss verlieren. Er soll weiterhin ermöglichen, was die US-Verfassung "pursuit of happiness" nennt: faire Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Menschen ihr Glück selbst machen können. Aber es ist nicht Aufgabe des Staates, allen gleichermaßen dieses Glück zu verschaffen.

Es gibt also wenig Grund, dem alten Länderfinanzausgleich nachzutrauern. Künftig kann der Bund Kommunen und Regionen direkt unterstützen und gezielter helfen. Die Kompetenzen sind klarer. Reiche Länder müssen weniger zahlen, die armen haben mit dem Bund den verlässlicheren Ansprechpartner. Aber bedeutet das nicht: weniger Föderalismus, mehr Zentralgewalt?

Exakt, und das ist auch besser so. Der alte Finanzausgleich war der Irrgarten des Föderalismus. Seine Hecken wucherten und trieben die tollsten Blüten, nur - der Weg zum Ziel war im Gestrüpp verborgen. Jetzt haben sie den Irrgarten zurechtgestutzt - was ein beruhigender Beleg ist, dass die Politik so handlungsunfähig doch nicht sein mag, wie die Lamentierer und Demokratiemüden behaupten.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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