Krieg in Libyen:Gaddafis Ölminister soll sich abgesetzt haben

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Er gilt als Gaddafis Vertrauter, nun soll Libyens Ölminister Ghanem nach Tunesien geflohen sein. In Tripolis stehen Regierungsgebäude nach Bombardements durch die Nato in Flammen.

Öl ist Libyens wichtigstes Exportgut, der dafür zuständige Minister ein dementsprechend wichtiger Mann. Ausgerechnet Ölminister Schukri Ghanem soll Staatschef Muammar al-Gaddafi jetzt den Rücken gekehrt und sich nach Tunesien abgesetzt haben. Der langjährige Vertraute des Diktators habe Libyen am Samstag in einem Auto verlassen und befinde sich in einem Hotel auf der tunesischen Insel Djerba, berichten übereinstimmend die Nachrichtenagentur AFP und Reuters, Sie berufen sich auf tunesische Regierungskreise.

Der Ölminister und sein Diktator: Schukri Ghanem vor einem Porträt Muammar al-Gaddafis (Archivbild von 2008). Jetzt soll er Medienberichten zufolge nach Tunesien geflohen sein. (Foto: dpa)

Ghanem, der auch Chef der staatlichen Ölgesellschaft ist und lange libyscher Ministerpräsident war, habe bislang keinen Versuch gemacht, die tunesischen Behörden zu kontaktieren, heißt es weiter. Auch die Aufständischen in Libyen erklärten über ihren Nationalen Übergangsrat, "keinerlei Kontakt" zu Ghanem zu haben.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass Gerüchte im Umlauf sind, Ghanem sei desertiert. Im Februar hatten arabische Medien schon einmal vermeldet, er sei geflohen. Später dementierte der Ölminister dies allerdings. Er sei nach wie vor Teil die Regierung.

Ghanem ist bisher nicht durch seine Distanz zu Gaddafi aufgefallen. Im Gegenteil: Der Ölminister steht auf der "schwarzen Liste" des amerikanischen Finanzministeriums. Alle seine Guthaben in den USA sind eingefroren worden.

Ende März hatte sich der libysche Außenminister und langjährige Geheimdienstchef Mussa Kussa über Tunesien nach London abgesetzt, wo er seinen Rücktritt verkündete. Die USA hoben anschließend die gegen ihn verhängten Sanktionen auf.

Die Nato bombardiert weiter die Infrastruktur der libyschen Diktatur. Noch Stunden nach den nächtlichen Luftangriffen standen im Zentrum von Tripolis die Behörde für innere Sicherheit und das Anti-Korruptions-Ministerium in Flammen. Die Gebäude befinden sich in der Nähe der Residenz Gaddafis. Nach Angaben von Mitarbeitern des Anti-Korruptions-Ministeriums wurden mehrere Beamte bei dem Angriff verletzt.

UN fordern "humanitäre Pause"

Unterdessen fordern die Vereinten Nationen Libyen eine "humanitäre Pause" bei den Kriegshandlungen. Darauf hat der für Libyen zuständige Koordinator des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha), Panos Moutzis, verwiesen. "Wir brauchen die Möglichkeit, etwa (die umkämpfte Stadt) Misrata zu Land und zu Wasser zu erreichen", sagte Moutzis.

Die Hilfsorganisationen würden sich um die Menschen kümmern, Hilfsmaterial und Lebensmittel in die Stadt bringen und dann wieder abziehen. "Je länger diese Krise dauert, desto mehr zählt jeder Tag und jede Minute", sagte der Koordinator. Nach diesen Angaben sind seit Ausbruch der gewalttätigen Auseinandersetzungen 750.000 Menschen aus Libyen geflohen. Etwa 250.000 gelten im Land als Vertriebene. Ihnen müsse dringend geholfen werden. Misrata sowie die westlichen Berggebiete seien dabei die größte Sorge, weil dort die Not am größten sei, sagte Moutzis.

Auch Russland drängt die libysche Regierung, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sofort zu beenden. Das Wichtigste sei, das Blutvergießen in Libyen umgehend zu stoppen und die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrats umzusetzen, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach einem Treffen mit Abgesandten Gaddafis in Moskau.

Die Resolution 1973 erlaubt den Gebrauch "aller Mittel", um die Zivilbevölkerung zu schützen. Sie ist die Grundlage für den internationalen Militäreinsatz in Libyen.Lawrow forderte die Unterhändler zudem auf, mit den UN zusammenzuarbeiten, um die Lieferung humanitärer Hilfe im gesamten Land zu ermöglichen.

© AFP/dpa/jab/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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