Auf Twitter meldete sie sich. Ganz überzeugend aber klang es nicht. "Was meine Emigration betrifft, haben meine Freunde ein bisschen übertrieben", schrieb die Journalistin Xenia Sobtschak am Montag. "Aber der Abend war wirklich herzlich, und wir hatten guten Wein."
Das Dementi galt einem Bericht der Wirtschaftszeitung Kommersant, demzufolge Sobtschak eine Abschiedsparty gefeiert habe, weil sie das Land verlassen wolle - aus Angst um ihr Leben. Sobtschak ist die Tochter des ehemaligen Bürgermeisters von Sankt Petersburg, Anatolij Sobtschak, an dessen Seite Wladimir Putin einst seine ersten Schritte in der Politik machte. Bei den Massenprotesten gegen gefälschte Wahlen im Winter 2011 wandelte sie sich von einer Society-Journalistin zu einer scharfen Kritikerin des Kreml. Sie soll nun zwar tatsächlich ins Ausland gereist sein, hieß es am Dienstag. Allerdings nur auf Zeit.
Mehreren Gruppen sind Anschläge zuzutrauen
Seit dem Mord an Boris Nemzow geht unter Russlands Oppositionellen die Angst um. Viele fragen sich, ob auch sie in Russland um ihr Leben fürchten müssen. Erst recht, weil gleich mehrere Gruppen in Frage kommen, so eine Tat auszuführen.
Anfang des Jahres war die Bewegung Antimaidan gegründet worden, ein Zusammenschluss unterschiedlicher rechtsnationaler Organisationen. Eine Woche vor dem Mord an Nemzow hatten sie 35 000 Menschen mobilisiert, die - teils gegen Bezahlung - Plakate durch die Straßen Moskaus trugen, auf denen Nemzow und andere als "Organisatoren des Maidan" angeprangert wurden - und dazu aufgerufen wurde, diese "fertigzumachen".
Präsident Putin soll über die Drohungen informiert worden sein
Der Antimaidan wird ganz offensichtlich vom Staat unterstützt. Zwei Mal gaben die Anführer der Bewegung Pressekonferenzen in den Räumen der staatlichen Nachrichtenagentur "Rossija Segodnja".
Zu ihnen gehört Dmitrij Sablin, der als Abgeordneter im Föderationsrat sitzt und nebenbei dem Veteranenverband "Waffenbrüder" vorsteht. Dort sind Offiziere aus Militär und Geheimdienst organisiert. In dieser Funktion hat Sablin auch eine Patenschaft für das Bataillon "Sewer" übernommen - die Einheit in Grosny, aus der Nemzows mutmaßliche Mörder stammen.
Die Nowaja Gaseta berichtete vor einer Woche, die Ermittler hätten Präsident Wladimir Putin bereits in der ersten Märzwoche über ihre Ergebnisse unterrichtet. Dabei sei auch die Rede von einer Todesliste gewesen, auf der die Namen weiterer Kreml-Gegner standen, darunter Alexej Wenediktow, der Chefredakteur des liberalen Radiosenders Echo Moskaus, und eben Xenia Sobtschak.
Anzeigen bei der Polizei führen zu keinem Ergebnis
Putins Sprecher Dmitrij Peskow bestritt, dass es eine solche Liste gebe. Dennoch werden Wenediktow und Sobtschak seither von Personenschützern bewacht. Wie viele andere Journalisten und Aktivisten hatten die beiden schon mehrmals anonyme Drohungen erhalten. Wie im Falle von Boris Nemzow hatten Anzeigen bei der Polizei aber zu keinem Ergebnis geführt.
Bei der Trauerfeier für Nemzow am 3. März kam ein Unbekannter auf Sobtschak zu und raunte ihr zu: "Du bist die Nächste." So berichtete es die Moderatorin später. Alexej Wenediktow, der in der Nähe stand, sagte, der Mann sei sogar mehrmals auf sie zugekommen. Und die Botschaft sei eindeutig gewesen.