KP-Parteitag:Alles auf Xi

  • In Peking hat der Parteitag der KP begonnen - das wichtigste politische Ereignis in China seit fünf Jahren.
  • Partei- und Staatschef Xi Jinping versprach in seiner Eröffnungsrede weitere Öffnung, bestärkte aber auch den restriktiven Kurs gegenüber Andersdenkenden.
  • Einer möglichen Abspaltung Taiwans erteilte er eine klare Absage.
  • Xi Jinping will bei dem Kongress die höchsten Gremien der Partei mit seinen Gefolgsleuten besetzen.
  • In Peking haben Bars und Nachtclubs geschlossen, Akademiker und Intellektuelle wurden angewiesen, der ausländischen Presse keine Interviews mehr zu geben.

Von Kai Strittmatter, Peking

In China liegt die Macht nicht bei der Regierung, sondern bei der Kommunistischen Partei. Und alle paar Jahre wird diese Macht neu geordnet, bei den Parteitagen der KP. Die 1921 gegründete KP Chinas trifft sich von diesem Mittwoch an eine Woche lang zu ihrem 19. Parteitag - es ist das das wichtigste politische Ereignis in China seit fünf Jahren. Partei- und Staatschef Xi Jinping hat es mit einer mehr als dreistündigen Rede eröffnet. Er verspricht eine neue Ära für das Land mit einem"Sozialismus chinesischer Prägung".

Für Xi Jinping ist es ein einschneidender Termin. Das eigene Volk und die Welt erwarten sich von seinem Rechenschaftsbericht einen Ausblick auf die Politik der nächsten fünf Jahre. Und die soll offenbar eine weitere Öffnung bringen: "China wird der Welt seine Türen nicht verschließen", sagte er. "Öffnung bringt uns Fortschritt, bei Abschottung wird man zurückgelassen." Aber die Verjüngung der Volksrepublik sei kein Spaziergang im Park. Die gesamte Partei müsse bereit sein, sich noch mehr zu bemühen. "Um große Träume zu erreichen, muss es große Anstrengungen geben."

Dazu gehört seiner Ansicht nach offenbar auch eine Fortsetzung des restriktiven Kurses gegenüber der eigenen Bevölkerung. "Alle Genossen müssen höchst wachsam gegenüber den Gefahren sein", sagte der Präsident. Auch müssten sie entschieden gegen alles angehen, was die Partei "untergräbt".

Angesichts der Rufe nach mehr Demokratie in Hongkong bekräftigte Xi Jinping die Souveränität Chinas über die ehemalige britische Kronkolonie. Er unterstrich zugleich den Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", nach dem die asiatische Wirtschaftsmetropole autonom verwaltet wird.

Auch unter Hinweis auf Taiwan, das als abtrünnige Provinz betrachtet wird, rief er dazu auf, sich "separatistischen Aktivitäten zu widersetzen". Als er sagte, es werde niemals zugelassen werde, dass irgendwer "einen Teil von China abtrennt", brandete großer Beifall auf.

Wie viel Macht hat Xi Jinping wirklich?

Der weitere Kongress wird vermutlich auch Hinweise darauf liefern, ob Xi Jinping es wirklich in nur fünf Jahren geschafft hat, so viel Macht an sich zu ziehen wie das nach Ansicht mancher Beobachter in China keinem Führer seit Mao Zedong mehr gelungen ist. Beobachter richten ihr Augenmerk dabei auf folgende Dinge: Gelingt es Xi Jinping, die höchsten Gremien der Partei mit seinen Gefolgsleuten zu besetzen? Gibt es Anzeichen für einen möglichen Nachfolger in fünf Jahren? Und wird die Partei ihn als politischen Denker mit einer eigenen Theorie in ihre Verfassung aufnehmen? All diese Fragen werden wahrscheinlich erst am Ende des Parteitags beantwortet werden, wenn die KP ihre aktualisierte Verfassung enthüllt und sie den neuen Ständigen Ausschuss des Politbüros vorstellt. Das ist der innere Zirkel der Macht in China, dem im Moment sieben Männer angehören.

Ökonomen und Politiker im Ausland halten nach Hinweisen für die künftige Wirtschaftspolitik Ausschau: Xi Jinping war vor fünf Jahren auch angetreten mit dem Versprechen auf marktwirtschaftliche Reformen im Wirtschafts- und Finanzsektor, hat diese Versprechen dann aber enttäuscht. Tatsächlich ist die Rolle von Staat und Partei in der Wirtschaft heute eine größere als noch vor ein paar Jahren. Ideologisch forcierte Xi eine Abkehr von "westlichen Werten" und eine Rückbesinnung auf den Marxismus, er verschärfte die Verfolgung Andersdenkender. Gleichzeitig schürte er den Nationalismus und verspricht dem Volk "die Wiedergeburt der großen chinesischen Nation" auf der Weltbühne.

Die Zusammensetzung des neuen Zentralkomitees steht längst fest

Die Hauptstadt Peking hatte schon seit einigen Wochen Kehraus für den Parteitaggemacht: Bars und Nachtclubs mussten schließen, Akademiker und Intellektuelle wurden angewiesen, der ausländischen Presse keine Interviews mehr zu geben, bekannte Andersdenkende wie der Rechtsanwalt Pu Zhiqiang oder der 85-jährige ehemalige Reformkommunist Bao Tong wurden von der Staatssicherheit "auf Reisen" außerhalb Pekings geschickt.

Dafür trafen insgesamt 2280 Delegierte ein, deren Aufgabe es sein wird, ein knapp 200 Mann starkes Zentralkomitee zu "wählen", dessen Zusammensetzung von der Führung längst vorbestimmt ist. Das ZK seinerseits ernennt dann das 25-köpfige Politbüro und dessen Ständigen Ausschuss, das mächtigste Gremium der Volksrepublik China.

Neue Führung für die Zentrale Disziplinarkommission

In der Vergangenheit trafen die Mitglieder des Ständigen Ausschusses wichtige Entscheidungen gemeinsam, unter Xi Jinping allerdings scheint die Partei Abschied zu nehmen von der kollektiven Führung: "Es gab in den letzten Jahren eine große Konzentration der Macht auf den höchsten Führer", sagt der Pekinger Autor Wu Si. "Die Frage ist: In welche Richtung geht es nun weiter? Richtung totalitäres Regime wie bei Mao? Oder in Richtung eines autoritären Staates, der auch Raum für Pluralismus hat?"

Das ZK wird auch die Führung der Zentralen Disziplinarkommission neu bestimmen, die Kommission ist heute wohl die gefürchtetste Institution auch innerhalb der Partei und war in den vergangenen fünf Jahren zentral für den Ausbau der Macht Xi Jinpings: Sie steht hinter der Antikorruptionskampagne, mit der Xi die Partei säubern möchte: von Korruption ebenso wie von seinen Rivalen. Geleitet wird die Kommission von Wang Qishan, dem heute engsten Alliierten Xis.

Das Schicksal Wang Qishans steht nun ebenfalls im Augenmerk: Wang ist 69 Jahre alt, den informellen Regeln der vergangenen Jahre folgend müssen eigentlich alle Kader über 68 Jahre in den Ruhestand gehen. Die Frage nun ist, ob Xi Jinping diese Regeln für Wang bricht - und damit vielleicht auch für sich selbst: In fünf Jahren ist der nächste Parteitag, und nicht wenige fragen sich, ob Xi dann auch mit der Gewohnheit seiner Vorgänger brechen wird, die alle nach zwei Amtszeiten zurücktraten.

Xi ist nicht als politischer Denker aufgefallen

Ein Indikator seiner Macht heute schon wird die Parteiverfassung sein: Wird sich Xi mit einer ihm zugeschriebenen politischen Theorie darin wiederfinden wie seine Vorgänger? Vielleicht gar mit einer, die seinen Namen trägt - eine Ehre, die bislang nur zweimal vorkam, bei den "Mao Zedong Gedanken" und der "Deng Xiaoping Theorie"? Wirklich aufgefallen als politischer Denker ist Xi nicht, die ideologische Rigorosität, die er an den Tag legt, dient vor allem der Unterdrückung von Dissens und Einfluss westlichen Gedankenguts.

Am Vorabend des Parteitages hatte die Nachrichtenagentur Xinhua eine Polemik gegen das politische System des Westens veröffentlicht: China habe es "absolut nicht nötig, die gescheiterten Parteiensysteme anderer Länder zu importieren", heißt es da. Titel des Stücks: "Die aufgeklärte chinesische Demokratie stellt den Westen in den Schatten".

Mit Material der Agenturen

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