Kansas muss gewonnen werden, kein Aufwand ist zu groß. Die republikanische Parteileitung in Washington hat eine Prominentenluftbrücke eingerichtet und versorgt den Präriestaat fast täglich mit konservativen Stars und Einpeitschern. Diese Woche waren Senator Rand Paul aus Kentucky und der ehemalige Präsidentschaftskandidat Mitt Romney da. Beide beschworen die Wähler, der Partei treu zu bleiben. Zuvor waren es Jeb Bush aus Florida, Ted Cruz aus Texas und Sarah Palin aus Alaska.
Der Mann der Republikaner heißt Pat Roberts. Sein Problem: Er ist schon zu lange in Washington, vertritt Kansas seit 1981 in der Hauptstadt. Dabei hat er den Draht nach Hause etwas verloren. Zu Jahresbeginn stellte sich heraus, dass der Senator keinen richtigen Wohnsitz mehr in Kansas hat, sondern eine Art Rumpelkammer im Golfhaus von Bekannten mietet. Wähler und Parteikollegen murren, sie hätten den Mann seit Jahren nicht mehr gesehen.
Das wöge weniger schwer, wenn der 78-Jährige in Washington präsent wäre, sich für Kansas sichtbar einsetzen würde. "Aber auch da fehlt er an wichtigen Sitzungen, ist nicht in den Ausschüssen", sagt Jim Yonally, ein republikanischer Lokalpolitiker im Ruhestand. Die Presse hat Roberts schon als "Möbelstück" bezeichnet, das in Washington herumstehe und Staub ansetze.
Erfolgreicher Angriff von rechts
Im Frühjahr erwuchs Roberts Konkurrenz von rechts. Ein Tea-Party-Kandidat namens Milton Wolf attackierte den Senator und schaltete eines der besten Wahlvideos der Saison. Darin lümmelte ein Roberts-Double auf einem Liegestuhl herum - der Amtsinhaber hatte in einem Interview erklärt, er könne in der gemieteten Kammer ja jederzeit auf einem Sessel übernachten. Roberts musste alle Reserven aktivieren, um den Gegner zu schlagen. Es gelang nur, weil Wolf eine ziemlich unappetitliche Figur ist: Der Mediziner sammelt Röntgenbilder von Schusswaffenopfern, stellt die Bilder ins Internet und kommentiert die schönsten Schädelzertrümmerungen. Wolf verlor die Vorwahl mit lediglich sieben Prozentpunkten Unterschied.
Kongresswahlen in den USA:Mit Geld, Glück und Tontauben an die Macht
Der Enkel eines US-Präsidenten, eine Demokratin mit Liebe zu Waffen und ein Mann, der Hillary Clinton für den "Antichrist" hält. SZ.de stellt die interessantesten Kandidaten bei den "Mid-Terms" am 4. November vor.
Damit hätte der Kampf vorbei sein sollen. Denn von demokratischer Seite droht in Kansas keine Gefahr: Seit 1936, somit nunmehr 78 Jahren, schicken die Wähler nur Republikaner in den Senat nach Washington. Mit einem Unabhängigen aber hatte niemand gerechnet.
Greg Orman, ein 45-jähriger Unternehmer und Multimillionär, lancierte eine auf Politverdruss ausgerichtete Kampagne - und startete durch. "Seid ihr das Gestreite der Parteien auch so leid?", fragt er bei seinen Auftritten. Washington sei "kaputt und gelähmt". Er werde "Problemlöser statt Parteisoldat" sein. Bei ihm hätten Kansas und die Nation immer Vorrang.
Größtenteils selbst finanzierter Wahlkampf
Ormans Positionen sind unspektakulär mittig. In sozialen Fragen wie Abtreibung und Waffen gibt er sich vorsichtig aufgeschlossen, im Bereich der Wirtschaft will er einen schlanken Staat, der Unternehmen Raum lässt. Was das im Detail heißt, bleibt häufig offen. Die Unabhängigkeit an sich ist Ormans wichtigster Programmpunkt. Seinen Wahlkampf finanziert er zu einem guten Teil selbst; gemäß eigenen Angaben beläuft sich sein Vermögen auf 21,5 bis 86 Millionen Dollar. Sein Geld hat er selbst erwirtschaftet. Seine erste Firma bot umweltfreundliche Beleuchtungssysteme an. Jung, engagiert und nicht völlig verbohrt: Die Demokraten haben Ormans Potenzial erkannt und ihren eigenen Kandidaten zurückgezogen. Seither liegt Orman in Umfragen knapp vor Roberts.
Ihr Forum:Können Sie die Unzufriedenheit der US-Bürger nachvollziehen?
Die US-Amerikaner sind unzufrieden mit Barack Obama, sogar seine Partei distanziert sich von ihm. Das könnte den Republikanern bei der Kongresswahl am Dienstag die Mehrheit im Senat bringen. Können Sie die Unzufriedenheit nachvollziehen?
Die Wahl eines Unabhängigen wäre eine Sensation - für Kansas wie den Rest des Landes. Er wäre der dritte Parteilose im hundertköpfigen Senat. Die zwei bisherigen (aus Maine und Vermont) stimmen meist mit den Demokraten und haben sich aus organisatorischen Gründen auch deren Fraktion angeschlossen. Orman lässt offen, auf welcher Seite er sitzen würde - er sei ums Machbare bemüht, werde sich also an die Mehrheitspartei halten.
Manche träumen allerdings bereits von einer dritten Kraft in Washington, einem Mini-Caucus der Unabhängigen, die in kritischen Fragen den Ausschlag geben könnte. Senator Pat Roberts hat von der Partei nun ein paar harte PR-Profis aus Washington verschrieben bekommen, die den Kampf gegen Orman als Schlacht gegen Obama inszenieren. "Jede Stimme für ihn ist eine für den Präsidenten", so ein Slogan. Um den armen Roberts geht es nicht mehr, gegen den Präsidenten ist notfalls auch ein "Möbelstück" recht.