Konflikt in Ost-Jerusalem:Palästinenser sollen Juden weichen

Lesezeit: 2 min

Neuer Konflikt in Jerusalem: Die Stadtverwaltung lässt von Arabern bewohnte Häuser in einem östlichen Stadtteil räumen - Platz für jüdischen Siedlungsbau.

Thorsten Schmitz

Die israelische Bürgerorganisation Ir Amim (Stadt der Völker) wirft der Jerusalemer Stadtverwaltung vor, Palästinenser aus dem arabischen Ostteil Jerusalems "systematisch zu vertreiben".

Ein Großteil des Stadtviertels Silwan in Ost-Jerusalem soll unter Kontrolle jüdischer Siedler stehen. (Foto: Foto: AFP)

In ihrem jüngsten Report berichtet die Gruppe, die sich um einen Ausgleich zwischen Palästinensern und jüdischen Israelis in Jerusalem bemüht, über das Beispiel des Ost-Jerusalemer Stadtviertels Scheich Dscharach.

Bürgerorganisation spricht von Vertreibung

Dort werde versucht, palästinensische Familien aus ihren Häusern zu vertreiben, um Platz zu schaffen für den Bau einer neuen jüdischen Siedlung. Dahinter stehe die Absicht der Jerusalemer Stadtverwaltung, einen Ring aus jüdischen Siedlungen und Institutionen wie Religionsschulen um die Altstadt herum anzulegen.

Bereits zu Beginn der Woche war bekannt geworden, dass der jüdische US-Millionär Irwing Moskowitz eine Genehmigung erhalten hatte, auf der Anlage des früheren Shepherd-Hotels in Scheich Dscharach 20 Wohneinheiten zu errichten. Moskowitz hatte das Gebiet mit dem leerstehenden Hotel 1985 gekauft.

Mit Beginn der ersten Intifada im Jahr 1987 diente das Gebäude, das in den dreißiger Jahren für den damaligen Mufti von Jerusalem, Haj Amin Al-Husayni, gebaut worden war, zuletzt 15 Jahre lang als Hauptquartier der israelischen Grenzpolizei. Den Bauplänen zufolge soll das Hotel renoviert werden, auf dem Areal sollen 20 Luxuswohnungen entstehen.

Wie Ir Amim berichtet, hat die Stadtverwaltung Jerusalems im Mai mehrere palästinensische Großfamilien, die seit Generationen in Scheich Dscharach leben, aufgefordert, zu Beginn dieser Woche ihre Häuser zu verlassen.

Betroffene Araber angeblich säumige Zahler

Am 19. Juli ist die Verantwortung für die Häuser auf die neuen Besitzer übertragen worden, die jüdischen Siedlern nahestehende Immobiliengruppe Nachalat Schimon International. Sollten die Palästinenser der Aufforderung nicht nachkommen, drohen ihnen Geld- und Haftstrafen.

Die Immobiliengruppe, so Ir Amim weiter, beabsichtige, die Gebäude der palästinensischen Großfamilien zu zerstören, wodurch rund 500 Palästinenser ihre Wohnungen verlieren würden. Nachalat Schimon International wolle auf dem frei werdenden Gelände eine neue jüdische Siedlung mit rund 200 Wohnungen errichten, für die es auch schon einen Namen gebe: Schimon Ha Tzadik (Schimon, der Gerechte).

Die Jerusalemer Stadtverwaltung argumentiert, die Palästinenser hätten ihre Rechte als Mieter verloren, da sie in den zurückliegenden Jahren keine Mieten und keine Kommunalgebühren gezahlt hätten.

Die Palästinenser wiederum stellen das Recht der neuen Hausherren in Frage, sie aus ihren Wohnungen vertreiben zu können. Rechtsanwälte haben Einspruch gegen die Aufforderung erhoben, dass die Palästinenser ihre Wohnungen und Häuser verlassen sollen.

Der blaue Ausweis, ein besonderer Status

Die etwa 270.000 Palästinenser in Ost-Jerusalem, deren Familien vor der Eroberung Jerusalems durch Israel im Sechs-Tage-Krieg dort gelebt haben, genießen einen besonderen Status. Sie besitzen wie jüdische Israelis auch einen blauen Personalausweis und können sich - im Gegensatz zu den Palästinensern des Westjordanlandes - frei in Israel bewegen.

Sie dürfen jedoch nicht an Parlamentswahlen teilnehmen und besitzen auch keinen israelischen Pass. Wenn ein Palästinenser aus Ost-Jerusalem sieben Jahre lang nicht in Israel gelebt hat, verliert er seinen besonderen Status.

Ir Amim kritisiert, in den vergangenen Monaten hätten diverse Siedlerorganisationen "große Anstrengungen" unternommen, um im Stadtteil Scheich Dscharach Fuß zu fassen.

Unter anderem sei die jüdische Religionsschule Beit Orot dort eröffnet worden, in sechs Gebäuden, in denen bislang Palästinenser gelebt hätten, wohnten bereits jüdische Religionsschüler und Lehrer, und der kürzlich eröffnete Ein Tzurim-Park werde von der Siedlergruppe Elad betrieben.

© SZ vom 25./26. Juli 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: