Kommunen in Geldnot:Las Vegas im Münsterland

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Ist gar nicht der Rheinländer, sondern der Westfale die wahre Frohnatur? Das 6700-Seelen-Dorf Legden in Nordrhein-Westfalen nimmt landesweit am meisten Vergnügungssteuer ein.

Der Ort, an dem Milch und Honig fließen, liegt mitten in der westfälischen Provinz. Das zumindest lässt die Höhe der Vergnügungssteuer vermuten, die jährlich die Kassen von Legden füllt, einer kleinen Gemeinde im Münsterland.

Bezogen auf die Einwohnerzahl hat das 6700-Seelen-Dorf das landesweit höchste Aufkommen der Sondersteuer. Die Abgabe wird sozusagen auf alles erhoben, was den Menschen Spaß macht. Und den gibt es in dem kleinen Örtchen nicht zu knapp: Im Jahr 2008 flossen satte 262.900 Euro Vergnügungssteuer in die Kassen der Kommune. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes sind das 38,70 Euro pro Einwohner.

Steuern auf Tanzveranstaltungen, Freudenhäuser - in Köln waren das im selben Zeitraum schlappe 9,66 Euro pro Kopf. Ist der Westfale also die wahre Frohnatur? "Die Leute in Legden sind gut drauf", versichert Legdens Bürgermeister Friedhelm Kleweken (CDU). Das allein sei jedoch nicht der Grund für die hohe Vergnügungssteuer.

90 Prozent der Einnahmen kämen vom "Dorf Münsterland", einem Veranstaltungsort, der nach Angaben der Betreiber "nur zu dem Zweck erbaut wurde, Menschen zum Feiern zusammenzubringen." Das bestätigt auch Omid Reghat, der Direktor der westfälischen Vergnügungsmeile: "Wir sind das älteste Partydorf Deutschlands", erzählt er.

Die Legdener Bürger wundert das hohe Steuer-Aufkommen daher nur wenig. "Die Kegelvereine werden doch busseweise dahin gekarrt", erzählt eine ältere Dame. An Touristen hat sie sich längst gewöhnt. 190.000 Besucher kommen jährlich ins Dorf Münsterland. "Die wissen ganz genau: Bei uns kann man Party machen", sagt Omid Reghat.

"Spaß haben" wollen auch die Mitglieder eines Tennisvereins, die an diesem Abend im "Partytreff Kornkasten" auf der Vergnügungsmeile zusammengekommen sind. Mehr als 350 Kilometer Fahrt von der Pfalz bis nach Legden hätten sie hinter sich, erzählt der 43-jährige Michael und das alles nur, um zu feiern.

"Wenn woanders die Bürgersteige hochgeklappt werden, geht es hier erst richtig los", sagt eine Mitarbeiterin des Partydorfs. 72 Festangestellte und 180 Aushilfskräfte sind dort für das Vergnügen der Gäste zuständig.

Beim Thema Steuern hört der Spaß für die Betreiber jedoch auf: Die Kommune erhebe 22 Prozent auf den Eintritt in die Partymeile. Laut Direktor Reghat zahle das Dorf Münsterland dadurch rund 22.000 Euro Vergnügungssteuer im Monat. Von landesweit 396 Kommunen verzichten nur sechs auf die Sondergabe, über die Städte und Gemeinden individuell entscheiden.

"Es ist klar, dass uns solche Kosten sehr stören", sagt Reghat. "Wir wollen das Geld ja auch nicht sparen, wir wollen es wieder investieren." Gewinn sei durch die Steuerabgabe "im Moment nicht drin".

Für Legdens Bürgermeister ist die Sondersteuer jedoch nötig, um Geld in die schlecht gefüllten Kassen der Kommune zu bringen: "Unterm Strich sind wir eine finanzschwache Gemeinde", betont Kleweken. 90 Prozent der Vergnügungssteuer-Einnahmen kämen vom Dorf Münsterland.

"Spielhallen haben wir nicht - und auch kein Rotlichtmilieu." Also doch nichts mit Milch und Honig? Die Gäste aus der Pfalz haben es zumindest "null bereut", dass sie den weiten Weg auf sich genommen haben. "Einfach mal ein paar freie Tage mit Freunden verbringen, tanzen und ein Bierchen trinken", das könne man in Legden gut.

"Es haben sich sogar schon Ehepaare bei uns kennengelernt", erzählt Direktor Reghat. Künftig sollen diese Paare dort ihr Eheversprechen erneuern können. Nur noch eine Kirche fehle in dem Partydorf, meint der Direktor, dann sei es endgültig "das Las Vegas des Münsterlandes".

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