Kolumne:Rechts reden

Lesezeit: 3 min

Norbert Frei ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena und leitet das Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts. (Foto: N/A)

Die Auseinandersetzung mit Rechten zu führen, ohne sie dadurch aufzupumpen - dafür gibt es weder einfache Rezepte, noch sollte man damit spaßen.

Von Norbert Frei

Reden ist gut, hilft aber nicht immer. In größerer Dimension haben wir das zuletzt Mitte November gesehen, als nach vierwöchigem Reden ein deutsches Jamaika doch nicht zustande kam. Art und Dauer dieser "Sondierungen", regelmäßiges Luftschnappen auf dem Balkon des ehemaligen Reichstagspräsidentenpalais inklusive, waren durchaus ungewöhnlich, obgleich die Tendenz zu immer wortreicheren "Koalitionsverträgen" schon seit geraumer Zeit selbst bei Regierungsbildungen in den Ländern zu beobachten ist; das 2014 verabschiedete Papier für Rot-Rot-Grün in Thüringen zum Beispiel umfasst 106 Seiten, das jüngst von SPD und CDU in Niedersachsen unterzeichnete kommt auf 3558 Zeilen. So weit, so übergenau, könnte man sagen - und ansonsten dankbar dafür sein, dass Politik in Deutschland ein solches Maß an Rationalität und Planbarkeit für sich beansprucht.

Kann man Rassisten intellektuelle Ebenbürtigkeit zubilligen?

Eher hilflos wirkt unsere politische Klasse allerdings, wenn es darum geht, nicht in der eigenen Blase, sondern mit Rechten zu reden. Auch das mag man für ein im Grunde sympathisches Zeichen halten: Große Routine in dieser Disziplin war jahrzehntelang kaum erforderlich, schon gar nicht im Bund, wo die Adenauer-CDU die letzten als glashart rechts zu bezeichnenden Kleinparteien BHE und DP nach der dritten Legislaturperiode 1961 schließlich niederkoaliert hatte. Diese Zeiten sind vorbei, und inzwischen wartet das Land mit einiger Spannung darauf, wie die Auseinandersetzung mit den neuen Rechten im Bundestag geführt werden wird, wenn der Parlamentsbetrieb und die Arbeit in den Ausschüssen erst einmal richtig angelaufen sind. Wie wird das dann gehen: "Mit Rechten reden"?

Just unter diesem Titel haben drei erklärtermaßen "nicht-rechte" Intellektuelle vor ein paar Wochen einen ironisch-schicken "Leitfaden" herausgebracht. Im Ton und von der Aufmachung her nicht gerade als MdB-Lektüre angelegt, ist die schmale Schrift inzwischen zum Bestseller im jungakademisch-außerparlamentarischen Raum avanciert. Ihr Rat: Weder laut und aggressiv werden wie die Antifa, noch moralisieren wie die gutgrünbürgerliche Linke. Stattdessen gelte es, das "Sprachspiel" der Rechten auseinanderzunehmen - geduldig, locker und mit jenem Humor, den sich das auf Selbststilisierung bedachte Autorentrio ("Leo/Steinbeis/Zorn") zugutehält. Die Hoffnung, Rechte vermittels des besseren Arguments zu überzeugen, solle man erst gar nicht hegen. Denn die Rechten seien klug, jedenfalls nicht dümmer als die Linken, und mit ihnen zu reden, sei per se interessant.

Was an dem Buch irritiert, sind weniger solche Sticheleien gegenüber der erwarteten linken Leserschaft, nicht einmal die in scheinbar selbstvergessener Ernst-Jünger-Manier imaginierten Weisheiten eines "ehemals rechten Informanten"; es ist die geradezu vorbehaltlose Bereitschaft des Trios, der radikalen Rechten intellektuelle Ebenbürtigkeit zuzuerkennen. Mag sein, dass ich da etwas missverstehe, aber mich befremdet die Empfehlung, von gleich zu gleich mit Menschen zu sprechen, die sich, und sei es unter der Tarnvokabel des "Ethnopluralismus", aus freien Stücken zu Ungleichheit und Rassismus bekennen.

Den konkreten Versuch, mit einem Rechten zu reden, hat vor ein paar Jahren der Münchner Soziologe Armin Nassehi unternommen. Mehr als drei Monate lang korrespondierte er mit Götz Kubitschek, einem medial mittlerweile ziemlich erfolgreichen, viril und erdverbunden auftretenden Guru der Szene, dessen Rittergut im Sachsen-Anhaltinischen als Publikations- und Schulungszentrum der Neuen Rechten fungiert. Erpicht darauf zu beweisen, dass es "salonfähige" Rechtsintellektuelle in Deutschland gibt, hatte der Verleger dem "sehr geehrten Herrn Professor" im März 2014 - also noch vor der Flüchtlingskrise - einen Gedankenaustausch per Mail angetragen. "Konservative wie wir", erklärte Kubitschek, "gehen nicht davon aus, dass sie in allem recht hätten", wohl aber davon, "dass die Wirklichkeit auf ihrer Seite steht". Dies schon deshalb, weil seinesgleichen sich anders verhalte als jenes universalistisch gestimmte Kulturbürgertum, über das der Soziologe zuvor in einem Interview bemerkt hatte, es rede links und lebe rechts. Für Leute seiner Denkungsart, so Kubitschek, gelte hingegen: "Rechts reden und rechts leben".

Der publizierte Briefwechsel ist lesenswert, aber wer sich ein wenig auskennt in der Genealogie der bundesrepublikanischen Rechten, dem entgeht nicht, dass Kubitscheks rhetorische Muster so neu nicht sind. Vieles davon erinnert an Armin Mohler, den 2003 gestorbenen langjährigen Leiter der Münchner Carl Friedrich von Siemens Stiftung, der für Hitlers intellektuelle Steigbügelhalter den hübschen Euphemismus der "konservativen Revolution" erfunden hat. Wo Mohler zum Beispiel die den besiegten Deutschen seit 1945 widerfahrene "Umerziehung" geißelte (so in "Der Nasenring. Im Dickicht der Vergangenheitsbewältigung"), wendet sich sein heutiger Adept gegen die Folgen einer "extrem negativen und zum Teil von außen hereingetragenen Geschichtspolitik". Im Zentrum von Kubitscheks Charakterisierung der Lage des angeblich um seine "Eigenart" ringenden Deutschlands steht freilich ein Thema, das später dann auch die AfD in den Bundestag bringen sollte: die "Überfremdung" des "sehr besonderen" Volks der Deutschen.

Für den geduldigen Nassehi - nach eigener Aussage "selbst ein Abkömmling von Migration" - war die Grenze der Verständigungsmöglichkeit erreicht, als Kubitschek, in den Worten des Soziologen, "das Nationale/Ethnische" für "unhintergehbar" erklärte.

Für wie erhellend man Nassehis Briefwechsel hält, für wie lustig (oder frivol) den "Leitfaden" von Leo/Steinbeis/Zorn, mag eine Temperamentsfrage sein. Klar aber ist: Beides hat nur die gesprächsfähigen Anführer der Rechten im Blick, nicht jenes geschätzte Fünftel unserer Gesellschaft, von dem es heißt, es sei für rechtes Gedankengut prinzipiell mobilisierbar. Mit dessen antidemokratischen Ressentiments - sie liegen nur knapp unter der Oberfläche - sollte man nicht spaßen.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: