Koalitionsoptionen nach der Bundestagswahl:Rot-Rot-Grün, das Phantom der deutschen Politik

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Die Tatsache, dass die Linke fast sicher wieder im nächsten Bundestag sitzt und vermutlich sogar mit passablem Resultat, offenbart das Scheitern der SPD. (Foto: dpa)

In großer Eintracht sorgen Politiker von Union, FDP und Linkspartei dafür, dass unablässig über Rot-Rot-Grün gesprochen wird - als ob diese Koalition eine reale Option ist. Das Gerede darüber zeugt von großer Heuchelei auf allen Seiten.

Ein Kommentar von Daniel Brössler, Berlin

Würden Koalitionen nur danach entschieden, wie gut das Zusammenspiel im Wahlkampf funktioniert hat, Deutschland müsste sich auf eine ganz neue Konstellation gefasst machen: Schwarz-Gelb-Dunkelrot. In großer Eintracht sorgen Politiker von Union, FDP und Linkspartei dafür, dass unablässig über Rot-Rot-Grün gesprochen wird. SPD und Grüne sehen sich gezwungen, die Unmöglichkeit dieses Bündnisses zu beteuern und erwecken dabei den Eindruck, schuld daran sei allein die Linke. Rot-Rot-Grün, das Phantom der deutschen Politik, lebt von Heuchelei.

Als Meister der Illusion erweist sich hier einmal mehr Gregor Gysi. Wenn Gysi sagt, ohne die Linke werde die SPD keinen Kanzler stellen, so spricht er zwar keine Wahrheit aus, aber doch unbestreitbar eine Wahrscheinlichkeit. Die Zahlen sprechen zumindest sieben Wochen vor der Bundestagswahl dagegen, dass Angela Merkel von einem anderen Bündnis als einem rot-rot-grünen aus dem Kanzleramt gezwungen werden könnte. Wenn Gysi ausführt, dass die nach links gerückte SPD in einer großen Koalition wenig von ihrem Wahlprogramm wird umsetzen können, so lässt sich das schwerlich als fiese Propaganda abtun. Und wenn er andeutet, mit einer Absage an Kampfeinsätze der Bundeswehr und mehr "soziale Gerechtigkeit" sei die Linke ins Boot zu holen, klingt das schön.

Leider füttert Gysi nur das Phantom. Mit der Wirklichkeit hat das (fast) nichts zu tun. Im Wahlprogramm gehen schon die Minimalforderungen der Linken für eine Regierungsbeteiligung deutlich weiter. Gysi kann den Eindruck von Kompromissbereitschaft erwecken, weil er nicht fürchten muss, dass sie getestet wird. Und um ganz sicher zu gehen, werden die Linken eine Tolerierung von Rot-Grün ausschließen. Die Partei ist im Bund auf Kompromisse nicht vorbereitet und noch weniger auf das, auch indirekte, Regieren. Gysi selbst hat den Delegierten kürzlich auf dem Dresdner Parteitag als Hausaufgabe untergejubelt, sich in den nächsten Jahren aus selbstgerechter Radikalität zu lösen. Die Aussichten hierfür sind bestenfalls vage.

Die Letzten, die sich nun allerdings bestätigt fühlen sollten, sind die Sozialdemokraten. Die Tatsache, dass die Linke fast sicher wieder im nächsten Bundestag sitzt und vermutlich sogar mit passablem Resultat, offenbart das große Scheitern der SPD. Sie hat ihr Ziel verfehlt, die Linke durch Ausgrenzung in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit zu bugsieren. Die feindselige Ablehnung durch die SPD hat nichts bewirkt außer der Schwächung jener in der Linken, die für eine pragmatische Öffnung eintreten. Es ist daher nicht ohne Komik, wenn SPD-Chef Sigmar Gabriel nun die Pragmatiker aus der Ost-Linken lobt.

So hat die Warnung aus Union und FDP vor einer Linksfront zwar einen guten Grund (nämlich Abschreckung), aber keine reale Basis. Bevor ein Bündnis mit der Linken Wirklichkeit werden könnte, müsste sich nicht nur die Partei grundlegend ändern, sondern auch der Umgang mit ihr. Von beidem ist wenig in Sicht.

© SZ vom 06.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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