Knesset-Abgeordnete Soabi:Eine Frau, die provoziert

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Ihre Rede löste Tumulte im israelischen Parlament aus: Die arabischstämmige Abgeordnete Hanin Soabi war an Bord der Gaza-Hilfsflotte. Rechte Parlamentarier bezeichnen sie nun als Verräterin. Jetzt wurde ihr Personenschutz verstärkt.

Peter Münch

Ganz in Schwarz und ganz ruhig steht die Abgeordnete Hanin Soabi am Rednerpult. Doch bevor sie auch nur einen Satz sagen kann, bricht der Tumult los im israelischen Parlament: "Verräterin", schallt es ihr entgegen, "geh doch nach Gaza". Im Saal haben sich immer mehr Abgeordnete von ihren Sitzen erhoben, es wird gerangelt und geschimpft, eine Volkszornvertreterin von der regierenden Rechts-Partei "Unser Haus Israel" versucht sogar, sich auf Soabi zu stürzen und sie vom Mikrofon zu drängen. Kräftige Männer müssen sich dazwischen werfen. Am Ende der Knesset-Kämpfe sind 14 von 120 Abgeordneten des Saals verwiesen. So wird in diesen Tagen Politik gemacht in Israels Parlament.

Hanin Soabi (rechts) wird während ihrer Knesset-Rede attackiert - bis zum Ende der Sitzung wurden 14 Abgeordnete des Saales verwiesen. (Foto: afp)

In der hitzigen Debatte geht es um den blutigen Militäreinsatz gegen die Schiffe mit Hilfslieferungen für den Gaza-Streifen. Soabi ist mittendrin gewesen in diesem Kampf, der mindestens neun Tote und viele Verletzte gefordert hat. Sie war an Bord der Mavi Marmara - als arabische Abgeordnete des israelischen Parlaments, die sich dem israelischen Militär entgegenstellen und Solidarität mit den Palästinensern im Gaza-Streifen demonstrieren wollte. Hinterher sagte sie, "Israels Ziel war es, so viele wie möglich zu töten." Einen Aufschrei hat sie damit ausgelöst, und für viele ihrer Kollegen und viele im Land wird sie deshalb als pure Provokateurin mit parlamentarischem Antlitz gesehen. Als "Terroristin" ist sie beschimpft worden, einer hat ihr in der Debatte entgegengeschleudert: "Du gehörst in den Knast." Dann wurde auch er des Saales verwiesen.

Die Araberin in der Knesset

In all dem Tumult hatte man nicht den Eindruck, dass dies Soabi sonderlich unangenehm gewesen wäre. Die Provokation gehört bei ihr zum politischen Geschäft. Nur so glaubt sie sich Gehör verschaffen zu können in einem Umfeld, das die arabische Minderheit ansonsten gerne ignoriert. Die 41-Jährige ist überdies die erste Frau, die über eine arabische Liste in die Knesset eingezogen ist. Seit gut einem Jahr vertritt sie die Balad-Partei im Parlament, und ihrer Sonderrolle war sie sich vom ersten Moment an bewusst, als sie den Treueschwur auf den Staat Israel leisten musste. "Ein Judenstaat ist ein Staat der Apartheid per Definition", hat sie dazu gesagt - und sich auch damit keine Freunde gemacht.

An Selbstbewusstsein jedoch mangelt es der Abgeordneten aus Nazareth nicht, die unverheiratet noch bei ihren Eltern lebt. Sie hat gelernt, sich durchzusetzen - zum Beispiel als Studentin der Medienwissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem, wo sie die einzige Araberin ihres Jahrgangs war. Doch je mehr sie sich exponiert, desto größer werden die Anfeindungen. Sie braucht Personenschutz, und der wurde nun verstärkt. Wachen begleiten Soabi nun nicht mehr nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Knesset-Korridore.

© SZ vom 04.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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