Joachim Gauck und Wladimir Putin:Die Freiheit des anderen

Pfarrer und Freiheitskämpfer steht in der Vita des einen. KGB-Agent und Autokrat in der des anderen. Joachim Gauck und Wladimir Putin sind Antagonismen. Der Besuch des Bundespräsidenten beim russischen Staatschef lässt auf sich warten.

Daniel Brössler, Berlin

Vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten ist Joachim Gauck in der Bundestagsfraktion der Grünen gefragt worden, wie er mit einem Besucher vom Schlage Wladimir Putins umgehen würde. "Das ist die schlimmste Frage, die Sie mir stellen konnten", soll er geantwortet haben. Gauck hat die erste Begegnung dieser Art schon hinter sich. Am 1. Juni machte der in den Kreml zurückgekehrte russische Präsident nach einem Termin bei Kanzlerin Angela Merkel auch dem Bundespräsidenten seine Aufwartung. "Offen" sei das 45-minütige Gespräch gewesen, war danach zu hören.

Bundespräsident Joachim Gauck begrüßt Wladimir Putin am 1. Juni in Berlin.

Bundespräsident Joachim Gauck begrüßt Wladimir Putin am 1. Juni in Berlin.

(Foto: AFP)

Zueinander gefunden haben die beiden Männer eher nicht. Davon zeugt eine Geschichte, die vom Bundespräsidialamt nun diplomatisch als Terminproblem dargestellt wird. Eigentlich hätte Gauck am Mittwoch zu einem zweitägigen Besuch nach Moskau reisen sollen. Dort wurde feierlich das "Deutschlandjahr" in Russland eröffnet, ein Projekt mit Hunderten Veranstaltungen im ganzen Land. Auf dem Moskauer Manege-Platz vor dem Ausstellungszentrum wurde ein gigantisches Puzzle vollendet, das Albrecht Dürers "Selbstbildnis im Pelzrock" zeigt, im Tschaikowskij-Konservatorium spielte das Young-Euro-Classic-Orchester. Anstelle von Gauck aber reiste Cornelia Pieper an, als Staatsministerin für Kultur im Auswärtigen Amt.

"Es gab Planungen", bestätigt ein Sprecher Gaucks dessen Reiseabsichten. Gescheitert sind sie nach Darstellung von Insidern aber am Unwillen des Kreml-Chefs. Zwar hatte Putin vor seinem Treffen mit Gauck bekundet, er wolle dem Bundespräsidenten "persönlich" eine Einladung überreichen. In wochenlangem Hickhack ist es dennoch nicht gelungen, sich auf einen Termin für einen Besuch Gaucks zu verständigen. Wenn zwei so unterschiedliche Lebensgeschichten aufeinanderprallen, können auch Terminabsprachen schwierig werden.

Zwei Männer als Gegenpole

Zwischen beiden Männern steht Gaucks großes Thema Freiheit, und das nicht nur, weil Putin heute die russische Opposition gängelt. Während Gauck in Rostock noch als regimekritischer Pfarrer wirkte, tat Putin in der DDR Dienst als KGB-Mann. Und als sich Gauck nach dem Mauerfall der Demokratie widmete, soll Putin in Dresden damit beschäftigt gewesen sein, einen Spionagering aufzubauen. Das jedenfalls waren im Jahr 2000 die Erkenntnisse der Stasi-Unterlagenbehörde. Und deren Leiter hieß damals Gauck.

So ist es denn nicht nur die Zeit vor 1989, die Gauck und Putin trennt. Während Gauck in den Jahren danach über Deutschland hinaus zur Symbolfigur für die Aufarbeitung des Spitzelunrechts zu sozialistischer Zeit wurde, steht Putin für die Restauration geheimdienstlicher Macht. Seine ersten beiden Amtszeiten im Kreml waren geprägt von einem ungeheuren Einflussgewinn des Nachrichtendienstes FSB und dem Aufstieg zahlreicher früherer KGB-Leute sowie anderer Uniformträger in höchste Ämter. 2006 bezifferte die Soziologin Olga Kryschtanowskaja ihren Anteil auf 70 Prozent in den höchsten Stellungen.

An den Rand gedrängt wurden indes jene, die Gauck am nächsten stehen dürften: Menschenrechtler, die eine Aufarbeitung sowjetischer Verbrechen fordern. Die Direktorin der Organisation Memorial, Jelena Schemkowa, sagte der Moscow Times: "Ich glaube, Gauck wird alles tun, um uns zu besuchen, und Blumen am Gedenkstein gegenüber von der Lubjanka niederzulegen." Die Lubjanka ist der berüchtigte Moskauer Sitz des Geheimdienstes.

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