Öffentlicher Nahverkehr:Italien will Schwarzfahrer mit harten Strafen stoppen

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Eine U-Bahn-Station in Rom. In der italienischen Hauptstadt liegt der Anteil der Schwarzfahrer bei mehr als 30 Prozent. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Jeder fünfte Italiener steigt ohne Fahrkarte in Bus und Bahn. Jetzt will die Regierung die Geldstrafen dafür drastisch erhöhen. Doch ob der Plan aufgeht?

Von Oliver Meiler

Es wäre vielleicht Zeit, dass die Italiener ein altes, noch immer gern gebrauchtes Bonmot revidierten. "Non fare il portoghese!", also: Mach mal nicht den Portugiesen!, steht dafür, dass jemand einen Dienst beansprucht, für den er nicht bezahlt hat. Bis heute gibt es keine gesicherte Erklärung dafür, welche Schuld die Portugiesen auf sich geladen haben, um bei den Italienern in einem so schlechten Ruf zu stehen.

Oder besser: Es gibt mehrere ungesicherte Erklärungen. Eine Legende handelt davon, dass ein portugiesischer Botschafter am Heiligen Stuhl im 18. Jahrhundert seine Landsleute zu einer Theatervorführung einlud und ihnen sagte, sie bräuchten keine Eintrittskarte. Es reiche aus, wenn sie am Eingang sagten, dass sie Portugiesen seien. Zahlen tat dann auch die Botschaft nicht.

Portugiesischer als die Portugiesen

Die Italiener, insbesondere im südlichen Teil des Landes, sind in manchen Belangen portugiesischer als die Portugiesen. Sagen die Italiener selbst. Zumal beim Schwarzfahren, der Paradedisziplin des "Fare il Portoghese". Jedes Jahr entgehen den städtischen Verkehrsbetrieben so im ganzen Land etwa 450 Millionen Euro. Jeder fünfte Italiener steigt ohne Fahrkarte in den Bus, die Straßenbahn oder die U-Bahn. Der Staat schätzt die Schwarzfahrten auf eine Milliarde pro Jahr.

Um das Phänomen geografisch etwas genauer einzukreisen und den Norditalienern gerecht zu werden: In Mailand, Turin und Genua liegt der Anteil der Schwarzfahrer bei ehrenwert tiefen fünf Prozent. In Rom dagegen liegt er bei mehr als 30 Prozent, wobei auch das eine Schätzung ist. Die wahre Quote ist wohl noch höher. Man zahlt eben nicht so gern für einen Service, der wenig wert ist - für Fahrten in schrecklich klapprigen, schmutzigen, selten pünktlichen Bussen des Verkehrsunternehmens Atac.

Jetzt hat die italienische Regierung beschlossen, die Geldstrafen für Schwarzfahrer drastisch zu erhöhen - auf bis zu 200 Euro. So hoch sind sie nicht einmal in Paris oder London. Das soll abschreckend wirken und die Haushaltslöcher stopfen. Doch ob der Plan aufgeht?

Kontrollen sind selten geworden

Geldbußen gab es ja immer schon, theoretisch wenigstens. In Rom zum Beispiel betrugen sie bisher 100 Euro. Mit dem Eintreiben aber war das schon immer so eine Sache. Venedig ist dabei von allen Städten die erfolgreichste: 55 Prozent der erwischten Sünder bezahlen die Strafe. In Palermo, das ganz unten auf der Rangliste steht, sind es nur acht Prozent.

Es kommt schon mal vor, dass Fahrgäste, wenn sie erwischt werden, ihre Identität falsch angeben: Von Beamten der Verkehrsbetriebe lässt man sich nicht so leicht beeindrucken, ihre Autorität liegt irgendwo im Graubereich. Kontrollen sind ohnehin selten geworden. Früher gab es in Rom Aufpasser in jedem Bus und in jeder Tram, immer. Nun ist der Betrieb pleite.

Natürlich verspricht die Regierung, dass künftig auch mehr Qualität geboten werde, gewissermaßen als Gegenleistung für eine bessere Zahlungsmoral. Interessant ist die Verheißung, man werde als Kunde bald eine Rückvergütung verlangen können, wenn der Bus sein Ziel eine halbe Stunde später erreiche als geplant. Eine Revolution wäre das, eine unwahrscheinliche. In Rom wüsste man oftmals einfach gern, ob der Bus überhaupt je kommt.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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