Italien:Das Böse als Souvenir

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Ein Schaufenster im italienischen Predappio, dem Geburtsort des Diktators Benito Mussolini: Köpfe des "Duce" und andere faschistische Symbole kann man hier erstehen. Die regierenden Sozialdemokraten wollen solche Geschäfte unter Strafe stellen. (Foto: imagebroker/imago)
  • In Italien sind Diktatoren-Souvenirs vielerorts zu finden.
  • Ein neues Gesetz soll das Produzieren und Verkaufen von derartigen Devotionalien nun strafbar machen, ebenso faschistisches Grüßen.
  • Doch es ist unklar, ob das Gesetz durchkommt. Viele der Abgeordneten sind dagegen.

Von Oliver Meiler, Rom

In Italien kann es einem ständig passieren, dass man dem "Duce" begegnet, dem Faschistenführer Benito Mussolini. Nicht leibhaftig natürlich, aber doch recht lebendig. Man braucht dafür nicht in ein Museum zu gehen. Sein rundes Gesicht mit dem kantigen Kinn schaut grimmig von Kalendern, die an jedem Zeitungsstand hängen, nicht selten neben solchen mit Bildern des Papstes. Manche Supermärkte an der Adria führen in ihren Regalen Weine mit Etiketten, auf denen Mussolini abgebildet ist. Oder Hitler. Oder Stalin.

Das mag die Touristen aus dem Ausland verwundern, die Italiener aber wundern sich nicht mehr. Der Produzent dieser "nostalgischen Weine" verkauft seine trüben Tropfen vor allem online - und das mit Erfolg, wie er immer wieder versichert. In Predappio, der Geburtsstadt des Duce, gibt es gleich mehrere Souvenirläden, die alles bieten, was die Wallfahrer begehren: Büsten, Bildchen, Anhänger, Hemden und T-Shirts mit deftigen Sprüchen, Fahnen mit Kreuzen aus einer anderen Zeit, Fläschchen mit Rizinusöl, das damals, während der zwanzigjährigen Herrschaft der Faschisten, den Regimegegnern zur Folter in hoher Dosis verabreicht wurde.

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Kommentar von Oliver Meiler

Sie würden eigentlich schon lange verboten gehören, diese Geschäfte. Sie wirken wie Kultstätten, wie schmuddelige Schreine, in denen das Böse offen kommerzialisiert und verherrlicht wird. Italiens Abgeordnetenkammer hat nun in erster Lesung ein Gesetz verabschiedet, das zum ersten Mal mit klarer Sprache faschistische Symbole und Gesten strafrechtlich verbietet.

Das Gesetz sieht Haftstrafen von bis zu zwei Jahren vor

Kommt der Artikel auch durch den Senat, dann müssen Leute mit Haftstrafen von sechs Monaten bis zwei Jahren rechnen, die in der Öffentlichkeit faschistisch grüßen, wie das bei Kundgebungen und in den Kurven der Fußballstadien dann und wann vorkommt, und solche, die Devotionalien mit einschlägigen Motiven produzieren, vermarkten oder verkaufen.

Für den Fall, dass sie ihre faschistische Propaganda auch in den Medien oder im Netz verbreiten, könnte der Richter den Freiheitsentzug noch um ein Drittel erhöhen. Das Gesetz trägt den Namen von Emanuele Fiano, einem Abgeordneten des sozialdemokratischen Partito Democratico. Für ihn war die Arbeit an dem Gesetz mehr als nur Parlamentsgeschäft: Sein Vater hatte als einziges Mitglied der Familie das KZ von Auschwitz überlebt.

Doch es ist nicht sicher, ob die "Legge Fiano" den Senat auch passieren wird. Es liegen dort nämlich gerade 63 Gesetze, über die noch vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode beschieden werden soll - vor kommendem Januar also. Knapp könnte es aber auch werden, weil die Stimmen im Senat, wo die Linke nur auf eine sehr schmale Mehrheit zählen kann, vielleicht am Ende gar nicht ausreichen werden. Im Abgeordnetenhaus hatten nicht nur die Postfaschisten von Fratelli d' Italia dagegen gestimmt, von denen man nichts anderes erwartet hatte: In ihrem Parteilogo züngelt eine trikolore Flamme auf einem symbolischen Sarg - Mussolinis Sarg.

Das Gesetz wolle das Denken verbieten, tobt ein Abgeordneter - und hebt den Arm

Dagegen waren auch die bürgerliche Forza Italia, die fremdenfeindliche Lega Nord und selbst die Protestbewegung Cinque Stelle. Argumentiert wurde unterschiedlich, im Nein waren sich die Gegner aber einig. Manche finden, die Legge Fiano sei unnötig, weil sie sich inhaltlich überlappe mit älteren Gesetzen. Andere sehen im neuen Gesetz eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung.

Alessandra Mussolini, die Enkelin des Duce, Mitglied von Silvio Berlusconis Forza Italia, mochte sich nicht lange aufhalten mit der Wahl passender Worte: Sie nannte das Gesetz "einen Haufen Scheiße".

Für einen denkwürdigen Moment sorgte auch der Auftritt von Ignazio La Russa von den Fratelli d' Italia. Es sei doch unerhört, sagte der frühere Verteidigungsminister, dass "dieses politische Regime" (gemeint war die sozialdemokratische Regierung Italiens) nicht nur das Denken verbieten wolle, sondern auch das Gestikulieren. Und so stand La Russa mitten in der Parlamentsaula und simulierte den "Saluto romano", den faschistischen Gruß mit ausgestrecktem, rechtem Arm - zur Veranschaulichung dessen, was wirklich keiner Veranschaulichung bedurft hätte. Man werde wohl bald auch das Kinn nicht mehr anheben dürfen, weil das an "dieses Monster eines Benito Mussolini" erinnern könnte, rief er zum Schluss, und seine Stimme zitterte dabei dramatisch vor historischer Ergriffenheit: "Schämt euch!"

Mit Denkmälern aus der Zeit des Faschismus befasst sich das neue Gesetz nicht, obschon das eine oder andere es durchaus verdient hätte. Vor dem Olympiastadion in Rom zum Beispiel steht bis heute ein Obelisk mit der Inschrift: "MVSSOLINI DVX" - so, in Versalschrift und mit dem lateinischen V für ein U. Da verklärte sich der Duce im Stil der Kaiser des antiken Rom. Mit einer Steinfräse ließe sich die Inschrift leicht entfernen. Ohne Drama und Tremolo der Nostalgiker ginge das aber wohl kaum vonstatten. Gut möglich, dass sich Mussolinis Enkelin an den Obelisken ketten würde, um der Fräse zu wehren.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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