Insel Kos:Athen schickt Fähre für Flüchtlinge

Lesezeit: 3 min

  • Auf der griechischen Insel Kos sind Tausende Flüchtlinge gestrandet. Es herrschen chaotische Zustände.
  • Die griechische Regierung hat eine Fähre gechartert, die Menschen ans Festland bringt, um die Situation zu entschärfen.
  • Doch Tausende Flüchtlinge warten auf den Ägäis-Inseln weiter auf ihre Registrierung.
  • Besonders dramatisch ist die Lage auf Lesbos. Die Insel stehe "am Rande des Zusammenbruchs", so die Hilfsorganisation International Rescue Committee.

Von Luisa Seeling, München

Eine Fähre mit syrischen Flüchtlingen hat am Mittwoch von der griechischen Insel Kos in Richtung Festland abgelegt. Die Regierung in Athen hatte die Eleftherios Venizelos gechartert, um die chaotischen Zustände auf der Insel zu entschärfen. In der vergangenen Woche hatte es dort Ausschreitungen gegeben, als die Behörden Hunderte Menschen in einer Schlange auf ihre Registrierung warten ließen. Später mussten etwa 2000 Menschen in der sengenden Hitze ohne Toiletten und genügend Wasser ausharren. Bei dem Versuch, die Menschen unter Kontrolle zu halten, ging die Polizei rabiat vor, sie setzte Schlagstöcke, Tränengas und - Zeugen zufolge - auch eine Blendgranate ein.

Inzwischen sind viele der Syrer, die im Stadion der Insel eingeschlossen waren, registriert worden und an Bord der Fähre gegangen, berichtet Stella Nanou, die für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in Griechenland arbeitet und am Mittwoch von Kos nach Athen zurückgekehrt ist. Die Eleftherios Venizelos legt nun Zwischenstopps auf den Ägäis-Inseln Leros und Kalymnos ein und bringt dann insgesamt fast 3000 Flüchtlinge nach Thessaloniki. Dort können sie entweder Asyl oder eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis beantragen.

Dramatische Lage auch auf Lesbos

Die meisten Flüchtlinge seien aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien, Irak und Afghanistan geflohen, ihre Chancen auf Asyl seien gut, sagt Nanou. Die Mehrzahl aber wolle weiterreisen. Von Thessaloniki aus kann man die Grenze zu Mazedonien mit dem Bus in weniger als einer Stunde erreichen. Für die Weiterreise zum Eisenbahn-Grenzübergang bei Idomeni-Gevgelija stehen Busse bereit, wie der Chef des Überlandbusunternehmens von Thessaloniki griechischen Medien sagte. Von dort fahren die Migranten dann weiter nach Serbien. Die Ziele der meisten sind Mittel- und Westeuropa.

Das Chartern der Eleftherios Venizelos war eine Notfallmaßnahme der Regierung, um die eskalierende Situation auf Kos zu entspannen. Doch Tausende Flüchtlinge warten auf den Ägäis-Inseln, die nahe der türkischen Küste liegen, weiter auf ihre Registrierung. Besonders dramatisch ist die Lage auf Lesbos. Die Insel stehe "am Rande des Zusammenbruchs", so die Hilfsorganisation International Rescue Committee. Fast 8000 Flüchtlinge sollen sich auf der Insel aufhalten.

Ein Urlauber auf Lesbos sagte der Süddeutschen Zeitung, dass die Einheimischen viel Hilfsbereitschaft zeigten. Es gebe eine private Hilfsinitiative, Fischerboote hätten sich an der Rettung von Flüchtlingen in Seenot beteiligt. Zugleich aber hätten die Bewohner große Angst, dass die Flüchtlingskrise den Tourismus auf der Insel gefährde. Wegen der Reise-Hochsaison sind alle Plätze auf den regulären Insel-Fähren ausgebucht. Berichten zufolge sollen bald zwei bis drei Fährschiffe durch die Ägäis fahren, um Migranten aufs Festland zu bringen.

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Auf Kos hat sich die Situation nach Einschätzung der UNHCR-Mitarbeiterin Nanou im Vergleich zu vergangener Woche ein wenig beruhigt. Zurzeit sollen sich etwa 2500 Migranten auf der Insel befinden, nachdem es zwischenzeitlich weit mehr als 5000 waren. Angespannt bleibt die Lage trotzdem.

Am Mittwoch protestierten Flüchtlinge aus dem Irak, Pakistan und Ländern Nordafrikas gegen die Entscheidung der Behörden, zunächst nur Syrer aus Kos abreisen zu lassen. Ausschreitungen gab es nicht. Nanou beklagt, dass die Menschen noch immer in leer stehenden Gebäuden, Parks oder auf der Straße schlafen müssten. "Die Behörden auf Kos müssten dringend an einem geeigneten Ort ein Aufnahmelager einrichten", sagt sie.

160 000 Menschen kamen seit Anfang des Jahres auf den Inseln an

Das UNHCR appellierte an die EU, der griechischen Regierung entschlossener unter die Arme zu greifen. Es kritisierte aber auch einen Mangel an Führungskraft und Visionen seitens der Griechen. Regierungschef Alexis Tsipras müsse sich stärker engagieren - trotz der Wirtschaftskrise. Am Sonntag wurde in dem Athener Stadtteil Eleonas immerhin eine neue Flüchtlingsunterkunft eröffnet. Fast 700 Menschen können dort aufgenommen werden, betreut von den Behörden, aber auch von lokalen Initiativen und Hilfsorganisationen. Trotzdem fehlen in Griechenland Tausende Unterkünfte für Flüchtlinge.

Täglich kommen Menschen auf den Inseln an. In der vergangenen Woche waren es fast 21 000, seit Anfang des Jahres sind es etwa 160 000. Allein im Juli dieses Jahres seien 50 000 Flüchtlinge über das Meer nach Griechenland gelangt - mehr als im gesamten Vorjahr. Anders als auf dem Seeweg von Libyen nach Italien, wo seit Jahresbeginn 2400 Flüchtlinge ertranken, gibt es auf der viel kürzeren Route zwischen der Türkei und Griechenland weniger Schiffsunglücke.

Tote gibt es aber auch hier. Nahe der Grenze zwischen Türkei und Syrien ertranken neun Menschen. Auch auf dem Weg von Bodrum nach Kos kenterte am Dienstag ein Motorboot. Sechs Syrer starben. Drei Passagiere überlebten, darunter ein neunjähriger Junge . Sie hatten in einer Luftblase atmen können, bis Taucher der türkischen Küstenwache sie retteten.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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