Innenministerkonferenz:Warum die Reform des Verfassungsschutzes ein Witz ist

Die Innenminister haben sich so auf den NPD-Verbotsantrag konzentriert, dass sie für andere vernünftige Überlegungen keine Zeit hatten. Sie tun so, als wäre ein Verbot der Partei ein Befreiungsgebet gegen den Rechtsextremismus. Das ist natürlich falsch.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Wäre der deutsche Sicherheitsapparat ein Auto, wüsste jeder, was zu tun ist: Nach dem Unfall ermittelt ein Kfz-Sachverständiger die Schäden; er prüft, ob es sich um einen Totalschaden handelt; er macht einen Kostenvoranschlag; dann wird repariert; gegebenenfalls muss ein neues Fahrzeug angeschafft werden. Wäre der Sicherheitsapparat also ein Auto, würden sich Halter und Fahrer bei der Schadensregulierung nicht so täppisch und dilettantisch verhalten, wie es die deutschen Innenminister tun.

Vor mehr als einem Jahr wurde die Mordserie des rechtsextremistischen NSU aufgedeckt; seitdem werden furchtbare Mängel des deutschen Sicherheitssystems offenkundig. Und was fällt nun endlich der Innenministerkonferenz dazu ein? Erstens: ein Witz. Zweitens: ein Gebet.

Zum Witz: Das V-Mann-Wesen soll ein wenig poliert werden. V-Leute sind "Vertrauens-Leute" aus der kriminellen oder extremistischen Szene, die für ihre Informationen aus dieser Szene vom Staat honoriert werden. Diese V-Leute sollen künftig unter anderem, als wären sie Beamte, ein halbes Jahr Probezeit haben. Probezeit? Diese Leute, denen man grundsätzlich und umfassend misstrauen muss, stehen natürlich immer unter Probezeit, also: Die Behörden müssen ständig in Sorge sein, belogen zu werden. Es reicht auch nicht, dass der V-Mann-Führer künftig alle fünf Jahre wechseln soll. Es ist Aufgabe des Behördenchefs, das gesamte V-Mann-Wesen seines Ladens ständig zu kontrollieren.

Zweitens zum Gebet: Die Innenminister haben sich so auf den NPD-Verbotsantrag konzentriert, dass sie für andere vernünftige Überlegungen keine Zeit hatten. Sie tun so, als wäre das NPD-Verbot eine Art Exorzismus, ein Befreiungsgebet gegen den Rechtsextremismus. Das ist natürlich falsch. Das NPD-Verbot ist notwendig, aber es ersetzt nicht die grundlegende Reform von Verfassungsschutz und Sicherheitssystem. Dieses leidet vor allem an einem Nebeneinander und Gegeneinander von viel zu vielen Sicherheitsbehörden. Es leidet auch an der Eitelkeit der Innenminister und Ministerpräsidenten, die ihre jeweiligen Behörden zum Beleg ihrer eigenen Wichtigkeit brauchen.

Zu viele Kompetenzegoismen

Es gibt daher 16 Landesämter für Verfassungsschutz und zwei einschlägige Bundesämter, 16 Landeskriminalämter und das Bundeskriminalamt, dazu die Zollbehörden mit eigenen, auch strafrechtlichen Zuständigkeiten. Es gibt also viel zu viele Nahtstellen zwischen den vielen Akteuren mit dementsprechend vielen Risiken bei der Bearbeitung einer Aufgabe. Es gibt zu viele Kompetenzegoismen, zu viel Doppelarbeit, zu wenig parlamentarische Kontrolle. Notwendig ist also eine völlige Reorganisation des Sicherheitsverbundes und des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern, notwendig sind umfassende Strukturreformen im Inneren der Ämter. Terroristische Gruppen müssen von einer Stelle konzentriert analysiert werden, nicht von fünf, zehn oder zwanzig.

Die Innenminister haben ihre Aufgaben nicht gemacht. Sie sitzen im zerbeulten Auto und tun so, als sei es ein Neuwagen.

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