Guttenberg entlässt General:"Atemberaubende Zustände"

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Nach der Entlassung eines Generals, weil dieser kritische Fragen stellte, mehrt sich die Kritik am deutschen Verteidigungsminister. Grünen-Sprecher Nouripour wirft Guttenberg vor, andere Meinungen nicht zuzulassen.

Die Entscheidung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), im Zusammenhang mit der Kundus-Affäre einen weiteren General zu entlassen, sorgt in der Opposition für Unmut. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte dem Berliner Tagesspiegel: "Ich habe zunehmend den Eindruck, dass es an der Spitze des Ministeriums nicht nur Militärs gibt, in die der Minister kein Vertrauen hat, sondern auch Militärs, die in den Minister kein Vertrauen haben."

Das Ministerium hatte am Freitag bestätigt, dass der 54-jährige Brigadegeneral Henning Hars in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden sei. Der frühere Gruppenleiter im Bundeskanzleramt und Militärattaché in Washington hatte nach der Entlassung des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan im Zuge der Kundus-Affäre einen Brief an Guttenberg geschrieben, der ihn den Job kostete.

"Ein Minister sollte sich auf eine Diskussion einlassen"

Arnold sagte: "Es ist das gute Recht des Ministers, einen General zu entlassen, wenn er kein Vertrauen mehr in ihn hat. Ob das klug ist als Signal - wenn Soldaten entlassen werden, weil sie sich als Bürger in Uniform kritisch äußern -, das ist eine andere Frage." Er erwarte von einem Minister, dass er sich auf eine Diskussion einlasse.

Der stellvertretende Linke-Fraktionschef, Jan van Aken, sagte der Zeitung: "Herr zu Guttenberg scheint seine Generäle noch schneller zu wechseln als seine Meinung. Falls die Entlassung von General Hars etwas mit dessen kritischen Fragen zum Bombenangriff von Kundus zu tun hat, ist auch zu Guttenberg reif für den vorzeitigen Ruhestand." Der verteidigungspolitische Grünen-Sprecher Omid Nouripour sprach von "atemberaubenden Zuständen" im Ministerium. "Es sieht so aus, als würden unliebsame Querköpfe einfach deshalb rollen, weil sie eine andere Meinung vertreten als der Minister", sagte Nouripour der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung.

Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums führten Staatssekretär Rüdiger Wolf und ein weiterer Vorgesetzter Gespräche mit Hars über das Schreiben an Guttenberg. "Als Ergebnis dieser Gespräche haben beide dem Minister die Versetzung des Brigadegenerals Hars in den einstweiligen Ruhestand empfohlen", erklärte ein Ministeriumssprecher an diesem Freitag. Guttenberg folgte dieser Empfehlung und veranlasste die Entlassung durch Bundespräsident Horst Köhler.

Der Tagesspiegel berichtete an diesem Samstag, Hars habe in seinem Brief nach den Gründen für die Entlassung Schneiderhans und nach der Einschätzung des Ministers zum Bombardement von Kundus gefragt. Bei dem von einem Bundeswehroberst befohlenen Angriff waren Anfang September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden. Das Verteidigungsministerium äußerte sich nicht zum Inhalt des Briefes.

Bereits Ende November mussten Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert wegen Informationspannen im Zusammenhang mit der Kundus-Affäre ihre Ämter niederlegen. Diese Woche sagen beide vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestags aus. Laut Tagesspiegel war als nächste Station für Hars ein viermonatiger Einsatz im Kosovo geplant. Danach sei er als Direktor für den Bereich Lehre an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg vorgesehen gewesen.

Kein Kommentar, dafür ein Wehrdienst-Konzept

Von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gab es zur Personalie Hars ebenfalls keine Wortmeldung. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk kündigte er an, die Konzeption für einen von neun auf sechs Monate verkürzten Grundwehrdienst fertiggestellt zu haben und seine Vorstellungen nun den Bundestagsfraktionen präsentieren zu wollen. Die Verkürzung der Wehrdienstzeit hatten CDU/CSU und FDP bei Bildung der schwarz-gelben Bundesregierung im Koalitionsvertrag vereinbart.

In dem Rundfunkinterview nannte Guttenberg als Ziel, "einen attraktiven Wehrdienst zu gestalten", so dass junge Männer diese sechs Monate als einen Gewinn im Leben sehen könnten. Damit werde ihnen erleichtert, schneller wieder ins Berufsleben einzusteigen und früher ein Studium anzutreten. Die sechs Monate müssten aber gut genutzt sein.

Enttäuscht äußerte sich der Minister über die geringe Beteiligung der Bundestagsfraktionen an der Erarbeitung des neuen Konzepts. "Ich hätte mir etwas mehr Impulse auch gerade von jenen gewünscht, die derzeit laut öffentlich gelegentlich schreien.", sagte Guttenberg. Auf seine Aufforderung hin, eigene Impulse zu geben, sei von einigen Fraktionen "so gut wie gar nichts" gekommen.

Einzelheiten über das Konzept nannte er aber noch nicht. Allerdings sagte der Minister, er prüfe eine Lockerung der Einberufungskriterien. Angesichts einer größeren Zahl von Einberufungen und sinkenden Zahl an Wehrpflichtigen durch die geburtenschwächeren Jahrgänge bestehe zwar kurzfristig kein Bedarf an einer Veränderung der Kriterien. Für die mittlere Zukunft solle aber auch dies ohne Tabu diskutiert werden.

Der Verteidigungsminister bittet um Geduld

Guttenberg warb in dem Interview für Geduld bei der Umsetzung der neuen Afghanistan-Strategie. Das sei keine Frage von wenigen Wochen. Die Umsetzung des militärischen Teils der neuen Strategie brauche noch bis zum Sommer. Auch bei den zivilen Bemühungen seien noch Ausbildungen nötig. Die neue Strategie bedeute nicht zwangsläufig weniger Kampfhandlungen. "Dass wir in Zukunft mit der Schutz- und Ausbildungskomponente gänzlich auf Kampfhandlungen werden verzichten können, käme einer Illusion gleich", sagte der Minister.

Der Untersuchungsausschuss im Bundestag zu dem Luftschlag in Kundus im September vergangenen Jahres macht nach Auffassung Guttenbergs nur Sinn, wenn er kein "parteipolitisches Krawallinstrument" sei. Einige Defizite seien bereits beseitigt. So habe die Nato Einsatzregeln verändert. Überprüft werden müssten noch die Kommunikationswege. Es müsse sichergestellt werden, dass eine Drucksituation wie die in der fraglichen Septembernacht nicht mehr entstehen könne.

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