Debatte über Demonstranten:Grüne und Linke streiten über Ukraine

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"Verwelkte Grüne", "infame Auslassungen", "Kumpanei mit Janukowitsch": In der Bundestagsdebatte über die Eskalation der Gewalt in der Ukraine ist es zu einem heftigem Streit zwischen Grünen und Linken gekommen. Es geht um angeblich faschistische Kräfte in der ukrainischen Oppositionsbewegung.

Von Oliver Klasen

Die Rede von Katrin Göring-Eckardt plätschert schon fünf Minuten vor sich hin. Es ist 9:33 Uhr, im Bundestag läuft eine Debatte zur Lage in der Ukraine, der Plenarsaal ist halb gefüllt. "Wir alle sind betroffen von den Bildern und denken an die Toten", sagt Göring-Eckardt. Sie zitiert einen evangelischen Pfarrer aus Kiew, mahnt eine entschlossene Reaktion der EU-Außenminister und mehr Druck der Kanzlerin auf den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch an. "Deutschland kann in diesem Konflikt keine neutrale Position einnehmen", sagt die Grünen-Fraktionschefin.

Bis hierhin ist es eine ganz normale außenpolitische Rede, nichts, was irgendwie kontrovers erschiene. Doch dann lässt die Linken-Ageordnete Heike Hänsel fragen, ob sie eine Zwischenfrage stellen könne. "Sehr gern", sagt Göring-Eckardt noch. Also fragt Hänsel. Es dauert ein bisschen, bis sie zum Punkt kommt. Ihr geht es um die Neutralität Deutschlands, die sie nicht gewahrt sieht. Die Udar-Partei von Vitali Klitschko werde beispielsweise seit Jahren von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung unterstützt. Außerdem sei die Gewalt auf dem Maidan-Platz "auch von den Demonstrantinnen und Demonstranten ausgegangen". Wie es Göring-Eckardt denn verhindern wolle, "diesen Gewaltteil" der Bewegung zu ermuntern, wenn sie einseitig Sanktionen fordere, also nur gegen Janukowitsch.

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Janukowitsch ist getürmt, Julia Timoschenko frei - und die bisherigen Regierungsgegner arbeiten im Eiltempo an neuen politischen Strukturen: Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen in Bildern.

"Frau Hänsel, sorry", sagt Göring-Eckardt. Schon jetzt klingt die Grünen-Fraktionschefin leicht genervt. Wenn es darum gehe, Geldflüsse an den Familienclan von Janukowitsch zu stoppen, dann treffe es, "genau die Richtigen, da bin ich mir ganz sicher". Göring-Eckardt argumentiert noch ein bisschen und redet sich dann in Rage. Sie erwähnt einen Tweet der Linken-Politikerin Sevim Dağdelen, die die Debatte offenbar aus ihrem Büro via Fernsehen verfolgt und die Opposition in Kiew als "Faschos in Militärkleidung" verunglimpft habe.

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Dann wendet sich die Grünen-Fraktionschefin wieder direkt an Hänsel, mittlerweile ist ihre Stimme mindestens eine Oktave höher und ziemlich laut: "Was nicht geht, dass Sie die gesamte Opposition auf dem Maidan diskreditieren. Das sind Leute, die für die politische Freiheit kämpfen und die alles riskieren dafür." ( Hier die Rede Göring-Eckardts in voller Länge)

Gegen Lammerts "Stilempfinden"

Es entwickelt sich dann ein Streit, der parallel zwischen den Rednern im Bundestag und, quasi als Nebenkriegsschauplatz, via Twitter ausgetragen wird. Im Minutentakt werden Tweets abgefeuert, die beiden Grünen-Abgeordneten Volker Beck und Omid Nouripour gegen Dağdelen. "Gestörtes Verhältnis zur Freiheit", "infame Auslassungen", "Kumpanei mit Janukowitsch" - es sind Wortgefechte auf 140 Zeichen.

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Als der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko im Bundestag seine Rede hält ( hier ein Mitschnitt) und, genau wie zuvor Dagdelen via Twitter, von den "faschistischen und antisemitischen" Elementen in der ukrainischen Opposition spricht, fragt die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann dazwischen. Sie hält ihr Smartphone in der Hand, zitiert Dağdelen und fordert Hunko auf, sich von dem "unerträglichen" Tweet zu distanzieren. Neben ihr sitzt Claudia Roth, die ehemalige Parteichefin, und schaut so erbost und entsetzt, wie das vielleicht nur Claudia Roth kann.

Es ist jetzt 9:50 Uhr im Plenarsaal. Norbert Lammert, der Bundestagspräsident, dessen Aufgabe es ist, sich um die Debattenkultur im Parlament zu kümmern, sagt später noch einen mahnenden Satz. Nach seinem "Stilempfinden" sollte es sich verbieten, dass Abgeordnete, die nicht im Plenum dabei seien, über andere Medien die Debatte kommentierten.

Und wenn es noch eines Beweises bedurft hat, dass die Mini-Opposition aus Grünen und Linken im Bundestag gespalten ist, dann haben diese 17 Minuten im Bundestag ihn nun erbracht.

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