Großbritannien vor der Europawahl:Rechtspopulisten überholen Etablierte

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Ukip-Wahlplakat im Londoner Süden. (Foto: dpa)

"Verrückte und klammheimliche Rassisten" - so nannte der britische Premier Cameron die Europa-Gegner der Ukip-Partei einst. Jetzt führen sie die Umfragen zur Europawahl an.

Von Alexander Menden, London

Noch nie ist eine Europawahl in Großbritannien mit so viel Spannung erwartet worden wie in diesem Jahr. Das ist einer Partei zu verdanken, die nichts lieber sähe, als dass die Briten an keiner weiteren Europawahl teilnehmen. Die rechtspopulistische UK Independence Party, die einen EU-Ausstieg der Briten fordert, liegt laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov zur Wahl am 22. Mai mit 31 Prozent vorne. Die Umfrage im Auftrag der Times ergab, dass Labour, im britischen Unterhaus derzeit Opposition, mit 28 Prozent folgt. Die Torys, Seniorpartner der konservativ-liberalen Regierung unter Premier David Cameron, liegen bei 19 Prozent der Stimmen.

Prognosen des Instituts haben sich in der Vergangenheit meist als zuverlässig erwiesen. Der einstige Thatcher-Vertraute Norman Tebbit, der dem rechten Flügel der Konservativen angehört, konstatiert daher, seine Partei werde jetzt den Preis für Camerons lange gepflegte Verachtung für Ukip und deren Wähler zahlen. 2006 hatte der damalige Oppositionsführer Cameron gesagt, Ukip rekrutiere sich vornehmlich aus "fruitcakes and closet racists" - Verrückten und klammheimlichen Rassisten. Seine plötzliche Besinnung auf Patriotismus und christliche Werte, mit der Premier Cameron seit Neuestem die zur rechten Konkurrenz abgewanderten Wähler zurückzugewinnen versucht, scheint wirkungslos zu bleiben.

Tatsächlich tut Ukip unter dem schillernden Vorsitzenden Nigel Farage einiges dafür, ihren Ruf als Rassistenpartei zu bestätigen. Der Vize-Schatzmeister Hugh Williams hat ein Buch publiziert, in dem er den Beginn des Zweiten Weltkriegs auf eine Provokation Polens gegen Hitler-Deutschland zurückführt. William Henwood, ein Londoner Ukip-Lokalpolitiker, riet jüngst dem schwarzen Komiker Lenny Henry, der eine Quote für farbige Schauspieler in den britischen Medien angeregt hatte: "Wenn er viele Schwarze um sich herum haben will, warum zieht er dann nicht in ein schwarzes Land?" Solche Äußerungen wurden lange als Einzelfälle abgetan. Aber neuerdings dient Rassismus auch als Mittel des EU-Wahlkampfs. So warnt ein Ukip-Plakat davor, 26 Millionen EU-Ausländer seien gierig darauf, Briten ihre Jobs wegzunehmen. Ein anderes Poster, auf dem der britische Union Jack verbrennt und darunter die EU-Flagge zum Vorschein kommt, imitiert ein Wahlkampfmotiv der rechtsextremen British National Party (BNP). Angesichts dessen spricht die Labour-Politikerin Barbara Roche von "Eurassismus": "Sie verwenden dieselbe Sprache und Taktik, die man von offen rassistischen Parteien wie der BNP kennt", so Roche. Unter der Leitung der Ex-Immigrationsministerin soll diese Woche eine parteiübergreifende Kampagne gegen Ukip starten.

Für die Europawahl und die gleichzeitig stattfindenden britischen Kommunalwahlen dürfte diese Initiative zu spät kommen. Dass die zutiefst zerstrittenen etablierten Parteien sie überhaupt gemeinsam ins Leben rufen, zeigt jedoch, als wie bedrohlich sie die Rechtspopulisten empfinden. Ukip fühlt sich jedenfalls bestätigt. Die Partei-Website zitiert triumphierend ausgerechnet Mahatma Gandhi: "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich, dann gewinnst du."

© SZ vom 30.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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