Unsichere Waffenruhe in Syrien:Assads Panzer bleiben in den Städten

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Angriff statt Abzug: Die Truppen des syrischen Präsidenten Assad verlassen nicht wie vereinbart die Städte, sondern kämpfen nach Angaben von Aktivisten weiter. Die Protesthochburgen Hama und Homs sollen weiter unter Beschuss stehen.

In Syrien scheinen die Befürchtungen wahr zu werden, dass Präsident Baschar al-Assad seine Truppen nicht aus den Städten zurückzieht. Statt mit dem Abzug zu beginnen, setzten Regierungstruppen am Dienstagmorgen nach Angaben von Aktivisten die Offensive in den Provinzen Hama und Homs sowie in der Region Aleppo fort.

Der Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, Rami Abdel Rahman, sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Artilleriebeschuss ist in der ganzen Provinz Hama zu hören. Auch Homs steht weiter unter Beschuss." Nahe Aleppo versuchten Soldaten des Assad-Regimes, die Ortschaft Maraa zu stürmen.

Die Hoffnungen auf einen Erfolg des internationalen Friedensplans sind damit weiter gesunken. Schon am Morgen hatte ein Aktivist aus der Provinz Homs berichtet, dass Panzer und Truppen nach wie vor da seien.

Die 48-Stunden-Frist für die Umsetzung der Waffenruhe hat am heutigen Dienstag um 6 Uhr ( 5 Uhr MESZ) begonnen. Beide Seiten müssen die Kämpfe nach dem vom UN-Sicherheitsrat abgesegneten Plan bis zum Donnerstag 6 Uhr Ortszeit eingestellt haben. Dem Vorschlag des Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Kofi Annan, hatten sowohl das Assad-Regime als auch die Opposition zugestimmt.

Am Montag und in der Nacht war die Gewalt unvermindert weitergegangen. Die Opposition berichtete von landesweit mehr als 150 Toten. Nur wenige Stunden vor Inkrafttreten des Plans von Annan starben allein beim Beschuss der Stadt al-Latmana nahe der Rebellenhochburg Hama nach Oppositionsangaben 30 Menschen, darunter 17 Kinder und acht Frauen. Die Gewalt griff auch in die Türkei und den Libanon über.

Warnungen aus Ankara

In einem türkischen Flüchtlingslager an der Grenze wurden fünf Menschen durch Schüsse aus Syrien verletzt. Die Türkei verurteilte die Gewalt, bei der im Flüchtlingslager Kilis in der Grenzprovinz Gaziantep offiziellen Angaben zufolge drei Flüchtlinge aus Syrien sowie ein türkischer Übersetzer und ein Polizist verletzt wurden. In dem Lager leben etwa 20.000 Flüchtlinge.

Syrische Soldaten erschossen zudem einen Kameramann des Senders al-Dschadid. Der Wagen mit den Journalisten habe sich auf libanesischem Gebiet befunden, teilte der Sender mit.

Die Regierung in Ankara warnte das syrische Regime eindringlich vor weiteren Angriffen. Die Türkei werde darauf mit geeigneten Maßnahmen reagieren, teilte das Außenministerium am Montag ohne nähere Angaben mit. Die Türkei hat ihre Truppen in dem Gebiet bereits verstärkt und erklärte den im Friedensplan des Sondergesandten Kofi Annan genannten Zeitplan für hinfällig.

Auch die USA verurteilten den Beschuss des Flüchtlingslagers durch syrische Truppen scharf. "Diese Ereignisse sind ein weiteres Zeichen, dass das Assad-Regime überhaupt nicht Willens ist, die Verpflichtungen einzuhalten, die es gegenüber Kofi Annan abgegeben hat", sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums.

Die USA warfen Assad Zeitschinderei vor, nachdem dieser von den Rebellen eine schriftliche Zusicherung für einen Gewaltverzicht verlangt hatte. Die Rebellen sprachen von einem Ablenkungsmanöver.

Die Assad-Unterstützer China und Russland appellierten an beide Seiten, Annans Plan eine Chance zu geben. Die Zusagen für eine Waffenruhe müssten eingehalten werden, sagte ein chinesischer Außenamtssprecher. Russland warnte erneut vor einer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens. Dies würde nur zu einer Eskalation der Spannungen führen, hieß es.

Bei dem seit mehr als einem Jahr andauernden Aufstand gegen Assad haben dessen Sicherheitskräfte nach UN-Angaben etwa 9000 Menschen getötet. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete von willkürlichen Tötungen durch Assad-treue Kämpfer. "In ihrem verzweifelten Bemühen den Aufstand niederzuschlagen haben syrische Kräfte Menschen kaltblütig umgebracht, Zivilisten wie Oppositionskämpfer", sagte ein Sprecher der Organisation. Im Zeitraum zwischen Ende 2011 und März 2012 gebe es Berichte über 101 solcher Fälle.

Nach syrischen Angaben sind vom Ausland unterstützte Extremisten für den Tod von 2500 Sicherheitskräften verantwortlich. Die Meldungen lassen sich nur schwer überprüfen, weil die Regierung in Damaskus eine freie Berichterstattung verhindert.

© Reuters/dpa/mkoh/mane - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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