Gesellschaft:Stolz und Vorurteil

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Wolfgang Benz hat sein halbes Forscherleben einem düsteren Thema gewidmet. Nun hat er als Herausgeber das achtbändige "Handbuch des Antisemitismus" abgeschlossen und dazu ein kürzeres Kompendium vorgelegt.

Von Robert Probst

Es ist wie bei ganz wenigen Markennamen. Sagt man Antisemitismus-Forschung, meint man Wolfgang Benz. Der Historiker ist längst pensioniert, aber keineswegs im Ruhestand. Sein halbes Wissenschaftlerleben hat er einem düsteren Thema gewidmet - und auch weiterhin ist er voller Elan als Aufklärer wider die Judenfeindschaft unterwegs. Dieser Tage kann er stolz auf die Vervollständigung eines weiteren großen Werks als Herausgeber zurückblicken: den siebten (Film, Theater, Literatur, Kunst) und achten (Nachträge und Register) Band des "Handbuchs des Antisemitismus". Innerhalb von acht Jahren haben viele Forscher im Auftrag des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin - das Benz bis 2011 leitete - zahllose Facetten der Judenfeindschaft stringent beschrieben und kompetent analysiert, von den Anfängen bis zur Gegenwart, ohne geografische Begrenzung.

Das Handbuch ist seit dem ersten Band als Standardwerk gelobt worden, umso mehr gilt dies nun für das - für akademische Verhältnisse sehr schnell verwirklichte - Gesamtwerk. Beeindruckend vor allem, wie ähnlich zahlreiche Argumentationsmuster gegen Juden zu verschiedenen Jahrhunderten und auf ganz unterschiedlichen Kontinenten immer wieder hervorgekramt wurden - und auch verfingen. Zusammengerechnet ergeben die Bände mehr als 4900 Seiten.

Wer das gern nicht ganz so ausführlich, aber gleichwohl fundiert nachlesen möchte, für den hat Benz ein "Kompendium" vorgelegt, einen schmalen Band über Antisemitismus, der "ohne gelehrte Attitüde, aber mit aller wissenschaftlichen Akribie und Sorgfalt gewonnene Einsichten bündelt", die etwa aus dem achtbändigen Handbuch stammen. So geht der Historiker hier nicht nur auf altbekannte Stereotype ein, sondern schildert auch ausführlich die Entwicklung der Judenfeindschaft nach dem Holocaust, die von der harschen linken Israelkritik bis hin zu Attacken von Muslimen reicht. Und Benz wiederholt sein Diktum, das Fach müsse sich erweitern auf die Untersuchung von Vorurteilen und Diskriminierung hin. Und er rügt den "schäumenden Aktionismus", der die bedingungslose Parteinahme für Israel und die Sache der Juden fordert. Wie es ausschaut, wird es noch einiges zu tun geben für Wolfgang Benz.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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