Gescheiterte Friedensgespräche in Nahost:Zurück bleibt Ratlosigkeit

Holocaust Martyrs' and Heroes' Remembrance Day

Als John Kerry noch hoffte: Der US-Außenminister im April 2013 mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu

(Foto: dpa)

Der 29. April 2014 sollte ein historisches Datum werden. Für diesen Tag plante US-Außenminister Kerry den Friedensschluss zwischen Israelis und Palästinensern. Doch die Verhandlungen sind gescheitert. Es gibt nichts zu feiern, aber viel zu befürchten.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es hätte ein Datum für die Geschichtsbücher werden können: An diesem Dienstag, dem 29. April, wollte US-Außenminister John Kerry sein Lebenswerk krönen mit einem historischen Friedensschluss zwischen Israelis und Palästinensern. So hatte er es vorgesehen, als er Ende Juli vergangenen Jahres den Rahmen zimmerte für einen auf exakt neun Monate angelegten Verhandlungsprozess.

Doch nun, zum Tag der Tage, ist Kerry von Washington aus nach Afrika abgereist. Sein nahöstlicher Statthalter Martin Indyk hat am Sonntag frustriert seinen Schalter in Jerusalem geschlossen und sich eilig nach Washington abgesetzt. Zurück bleiben zwei unversöhnte Konfliktparteien und jede Menge Ratlosigkeit.

Wieder einmal ist ein Anlauf gescheitert, der vorab zur letzten Chance erklärt worden war - und düpiert sind vor allem die amerikanischen Vermittler, die es trotz aller Kraft und bei allem verbreiteten Optimismus nicht geschafft haben, Israelis und Palästinenser einander auch nur einen Zentimeter näher zu bringen.

"Blame game" in Israel

Wie tief diese Schmach sitzt, sieht man am besten an ungewöhnlich offenen Äußerungen Kerrys, der den Israelis die Hauptschuld fürs Scheitern zuwies und nun offenbar noch einmal nachlegte. Aus einem internen Treffen wurde er mit der Warnung zitiert, dass Israel bei einem Scheitern der Zwei-Staaten-Lösung Gefahr laufe, zu einem "Apartheids-Staat" zu werden. Das ist eigentlich eine Terminologie, die ansonsten nur Israels Gegner verwenden.

Kerry selbst distanzierte sich jedenfalls von seiner Formulierung. Die Kraft der Worte könne einen "falschen Eindruck erzeugen, auch unbeabsichtigt", teilte er am Montagabend mit. "Wenn ich das Band zurückspulen könnte, hätte ich ein anderes Wort gewählt, um meine feste Überzeugung zu beschreiben, dass der einzige Weg zu einem jüdischen Staat und zwei Nationen und zwei Seite an Seite in Frieden und Sicherheit lebenden Völkern langfristig eine Zwei-Staaten-Lösung ist", fügte er hinzu.

Die Schuldfrage, also das sogenannte "blame game", war allerdings schon von Beginn der Gespräche an mit weit größerer Leidenschaft verfolgt worden als die eigentlichen Sachfragen. Israelis und Palästinenser lauerten nur darauf, eine Verfehlung des jeweils anderen mit einem Gegenschlag zu beantworten - und die US-Vermittler fanden nie ein Mittel, das auszubalancieren oder gar abzustellen.

So kam es am Ende zu jener verhängnisvollen Spirale, dass die Israelis eine vorab vereinbarte Gefangenenfreilassung verzögerten, die Palästinenser daraufhin entgegen ihrer ursprünglichen Zusagen wieder Beitrittsgesuche zu UN-Organisationen stellten, Israel darauf mit Wirtschaftssanktionen antwortete - und alles auseinanderflog.

Problematische Verhandlungspause

Dabei will keiner der Beteiligten jetzt schon alle Türen zuschlagen, zumal ein Plan B zum Friedensprozess nirgends in Sicht ist. Deshalb wird Israels Premierminister Benjamin Netanjahu auch nicht müde, die Friedensbereitschaft seiner Regierung zu beteuern. Und Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas nutzte sogar den am Montag in Israel begangenen Holocaust-Gedenktag zu einer Versöhnungsgeste, als er den Mord an sechs Millionen Juden durch die Nazis als "das schlimmste Verbrechen der Neuzeit" bezeichnete. Netanjahu allerdings wies das sogleich als taktisches Manöver zurück.

Die neue Richtung hat US-Präsident Barack Obama vorgegeben mit den Worten, dass eine Pause nötig sein könnte im Verhandlungsreigen, während derer sich die Konfliktparteien ihrer wahren Interessen bewusst werden sollten. Das Problem ist allerdings, dass sich in dieser Pause die Positionen zu verhärten drohen und auf beiden Seiten Fakten geschaffen werden, die eine Friedensreglung in noch weitere Ferne rücken lassen.

Die Palästinenser haben schon mit dem Versöhnungsabkommen zwischen der Fatah und der Hamas gezeigt, dass sie auch noch auf alternativen Pfaden wandeln könnten. Zugleich halten sie sich die Optionen offen, die vor Beginn der neuen Friedensverhandlungen eingestellten Bemühungen um internationale Anerkennung weiter zu forcieren.

Nichts zu feiern, viel zu befürchten

Chef-Unterhändler Saeb Erekat kündigte in einem Radio-Interview an, die Palästinenser wollten nun insgesamt 63 internationalen Organisationen und Abkommen beitreten. Offen ließ er allerdings noch, wann das geschehen soll. Dies werde "zum gegebenen Zeitpunkt beginnen", vermeldete er unter Berufung auf Präsident Abbas.

Zugleich nutzen auch in Israel die Gegner eines Friedensabkommens die Gunst der Stunde. Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei "Jüdisches Heim" erklärte den vor 20 Jahren in Oslo begonnenen Friedensprozess für endgültig gescheitert. "Die Welt muss erkennen, dass es in absehbarer Zeit kein umfassendes Nahost-Abkommen geben wird", verkündete er - und forderte als Alternative forsch eine Annexion von 60 Prozent des Westjordanlands durch Israel.

Zu feiern gibt es also wahrlich nichts an diesem 29. April. Doch dafür vieles zu befürchten.

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