Führende Politiker der Koalitionsverhandlungen:Das Phantom und der Kämpfer

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Links die Vertreter der SPD mit Parteichef Sigmar Gabriel (SPD), rechts Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU (Foto: AFP)

Profilneurotiker, Egomanen, Lakaien oder schlicht Überforderte: Die wichtigsten Verhandler für eine große Koalition tragen auf höchst unterschiedliche Weise zum Ergebnis bei. Alle wollen was bleiben oder was werden. Nur bei einem ist das nicht so sicher. Ein - ganz subjektiver - Performance-Check.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Koalitionsverhandlungen gehen kommende Woche in die entscheidende Phase. Wie haben sich die wichtigsten Vertreter von CDU, CSU und SPD bisher geschlagen? Ein Überblick.

Angela Merkel - das Phantom

Die Kanzlerin ist irgendwie abgetaucht, seit sie am Wahlabend mit mehr als 42 Prozent fast die absolute Mehrheit geholt hat. Schweigen ist im Merkel-Kosmos ein Mittel der Politik. Wenn sich die große Runde der Koalitionsverhandlungen trifft, geht sie wortlos hinein. Und wortlos wieder hinaus. Die Koalition mit der SPD handelt sie ausschließlich im Hintergrund aus. Sie liest die Papiere aus den Arbeitsgruppen, nimmt sich auch mal die eigenen Leute vor, wenn ihr etwas gegen den Strich geht. Öffentliche Stellungnahmen gibt es von ihr so gut wie keine. Immerhin: Eine Regierungserklärung hat sie in der Zwischenzeit gehalten - zur Bedeutung der östlichen Partnerschaften.

Sigmar Gabriel - der Kämpfer

Der SPD-Chef hat einiges zu stemmen. Er will die große Koalition. Aber dafür muss er erst noch seine überaus skeptischen Mitglieder überzeugen, die über den Koalitionsvertrag abstimmen sollen. Auf dem Parteitag der SPD in Leipzig hat er sich mächtig ins Zeug gelegt für das Mitgliedervotum. Und klar gemacht, er werde keinem Vertrag zustimmen, zu dem er als Sozialdemokrat nicht aus vollem Herzen Ja sagen könne. Schon jetzt ist er überall im Land unterwegs, um die Basis auf die große Koalition vorzubereiten und Vertrauen zu gewinnen. Von ihm wird es am Ende auch abhängen, ob das klappt: Er muss mit CDU-Chefin Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer die großen Dissens-Themen abräumen.

Die Bundeskanzlerin im Gespräch mit dem SPD-Parteichef (Foto: Bloomberg)

Horst Seehofer - der Egomane

Dem Vorsitzenden der CSU geht es nur um eines: Soviel CSU wie möglich in den Koalitionsvertrag zu pressen. Minimum: PKW-Maut für Ausländer, Mütterrente und Beibehaltung des Betreuungsgeldes, das vom SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück noch als "dämlich" bezeichnet wurde. Wenn es ihm nützt, scheut er auch nicht davor zurück, Einzeldeals mit der SPD einfädeln zu lassen. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa ließ er mit SPD-Unterhändler Thomas Oppermann eine Vereinbarung über Volksentscheide auf Bundesebene aushandeln. Womit er die CDU-Kollegen auf die Palme brachte. Seehofers Alleingänge sind symptomatisch: Den Termin für ein Geheimtreffen der drei Parteivorsitzenden in der Sondierungsphase posaunte er frei heraus. Als dann aus CDU und SPD noch dementiert wurde, legte er nach: Er bleibe dabei.

Hermann Gröhe - der Dazwischensteher

Die Musik, das merkt Hermann Gröhe jedes Mal, wenn er mit seinen Generalsekretärskollegen Andrea Nahles und Alexander Dobrindt vor die Presse tritt, die Musik spielt nicht da, wo er steht. In der Regel spricht er von konstruktiven Gesprächen und guter Atmosphäre, lässt sich auf inhaltliche Festlegungen aber selten ein. Nahles für die SPD und Dobrindt für die CSU fahren da ganz anders auf. Egal was, die beiden kleineren Verhandlungspartner der CDU haben in fast allen Themen sehr eigene Vorstellungen. Die CDU hingegen will meist alles lassen, wie es ist. Keine Steuererhöhungen, Maut muss auch nicht sein, überhaupt sollten alle bestehenden Gesetze bleiben, wie sie sind. Gröhe hat die Aufgabe, Kontinuität zu wahren: In der Außen-, der Innen-, der Finanzpolitik. Die Menschen haben Merkel gewählt, weil sie keine großen Reformen wollen. Das ist seine Analyse. Darum steht er meist ein wenig unmotiviert zwischen den sich aufplusternden Kollegen. Wenn er dann was sagt, ist oft nicht erkennbar, ob irgendwas davon aufgeschrieben werden muss.

Andrea Nahles - die Architektin

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles legt die Fundamente für die große Koalition und zeichnet vor, wie das alles aussehen könnte, was darauf gebaut werden soll. In ihrem Zuständigkeitsbereich als Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit und Wirtschaft handelt sie das Kernthema der Sozialdemokraten aus: den Mindestlohn. Sie wehrt vor allem die Versuche der Union ab, irgendwelche Kompromisslinien in die Vorgaben der SPD hineinzubringen. Die sind recht eindeutig: Der Mindestlohn soll gesetzlich verankert werden, flächendeckend gelten und 8,50 Euro pro Stunde betragen. Ohne so einen Mindestlohn braucht die SPD einen Koalitionsvertrag gar nicht erst weiter zu verhandeln. Das hat Nahles verinnerlicht.

Alexander Dobrindt - der Lakai

Seehofers Wünsche sind auch seine Wünsche. Wenn der CSU-Chef die PKW-Maut für Ausländer will, dann ist es sein Job, die Forderung zu verteidigen. Wenn der CSU-Chef die Mütterrente will, dann kämpft Dobrindt dafür bis aufs Messer. Eigene Ideen bringt er erkennbar nur ein, wenn es um möglichst einprägsame Sätze geht, mit denen er die Wünsche seines Herrn und Meisters in die Öffentlichkeit tragen kann. "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit auf Deutschlands Straßen", sagt er dann etwa. Deshalb: "Die Maut kommt. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche." Ist es natürlich nicht. Aber wenn er das sagen würde, wäre sein Chef böse mit ihm. Und der will ihn ja zum Minister machen in einer neuen Bundesregierung.

Thomas Oppermann - der Profilneurotiker

Er ist die Allzweckwaffe der SPD, in kaum einer Talkshow fehlen seine präzise gestanzten Sätze. Thomas Oppermann hat aus dem Amt des parlamentarischen Geschäftsführers seiner Fraktion eine eigene Alleinunterhalter-Einheit gemacht. Manche sagen, er könne nachts um drei aus dem Tiefschlaf geholt werden und umgehend neuste Wendungen im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung druckreif kommentieren. Unter SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück noch Schatteninnenminister handelt er als Chef der AG Inneres die Innenpolitik aus. Dabei stellt er gerne den Dissens mit der Union in den Vordergrund, etwa wenn es um die doppelte Staatsangehörigkeit geht. Oder er dealt mit der CSU ein Papier zu Volksabstimmungen aus. Was die CDU ärgert. Er sitzt auch in der mächtigen Steuerungsgruppe, die die übelsten Schnitzer aus den Arbeitsgruppen ausbügeln muss. Er hat also einiges getan für den nächsten Karriereschritt. Jetzt wird er wohl Minister werden. Wenn nicht Innen-, dann wenigstens Justizminister.

Hans-Peter Friedrich - der Überforderte

Er macht schon als Innenminister selten eine gute Figur. Gefühlt sei er immer noch ein Mann der Hinterbank im Bundestag, schrieb kürzlich der Spiegel über ihn. In der NSA-Affäre findet er nicht den richtigen Ton. Noch immer spricht er von "angeblichen" Dokumenten des US-Enthüllers Edward Snowden und davon, dass das Handy der Kanzlerin "angeblich" vom US-Geheimdienst abgehört worden sein. Für eine Angeblichkeit aber hätte Merkel wohl kaum US-Präsident Obama direkt anrufen müssen. Friedrich wollte seinen Job ja auch nicht. Er hätte wohl nichts dagegen, ihn wieder los zu sein. Jetzt verhandelt er in der Arbeitsgruppe Inneres mit der SPD. Aber was genau er da macht, außer Verbesserungen für Ausländer zu verhindern, ist nicht so klar.

Ronald Pofalla - die rechte Hand der Kanzlerin

Der Kanzleramtsminister ist genauso unsichtbar in den Verhandlungen mit der SPD wie seine Chefin Angela Merkel. Seine Position aber ist ähnlich mächtig. Er sitzt nicht nur in der Steuerungsgruppe, die die Arbeitsgruppen koordiniert. Sondern auch in der so genannten "kleinen Runde", in der die Partei-, die Fraktionschefs, die Generalsekretäre und einige Ministerpräsidenten sitzen. Unter der Ebene der drei Parteichefs ist dies das wichtigste Entscheidungsgremium. Wer etwas will in der CDU, muss damit erst mal zu Pofalla. Der kennt die Vorstellungen der Kanzlerin sehr genau. Darum lässt sie ihn machen, während sie weiterregiert.

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