Friedensplan des Nahost-Quartetts:Mehr Mut beim Überlebenstest

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Die Lage in Nahost ist dramatisch, die Stimmung explosiv und die Konfliktparteien scheinen mit Blindheit geschlagen. Verglichen mit alten Zeiten bietet der neue Friedensplan des Nahost-Quartetts in dieser verfahrenen Situation einen großen Vorteil.

Stefan Kornelius

Das Nahost-Quartett trägt nicht nur einen sperrigen Namen, es veröffentlicht auch sperrige Texte. Da zischt es nicht und raucht es nicht. Niemand schlägt auf den Tisch und sagt dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, dass man nun genug habe von seiner Obstruktion. Und niemand fährt den Palästinenser-Präsidenten Abbas an mit dem Hinweis, dass er nun gefälligst verhandeln solle, statt die Erwartungen seiner Bürger hochzutreiben. Die werden nämlich in ihrem Frust zu den Radikalen von der Hamas überlaufen, wenn es wieder mal nichts wird mit dem Staat Palästina.

Die oberste EU-Außenpolitikerin Catherine Ashton hat ihr Erstlingswerk abgeliefert. (Foto: dpa)

Dies ist der schwer zu vermittelnde Gegensatz im Nahost-Friedensprozess, was ein irreführender Begriff ist, weil sowohl der Frieden als auch der Prozess fehlen: Die Lage ist dramatisch, die Stimmung auf den Straßen explosiv, die Konfliktionäre scheinen mit Blindheit geschlagen zu sein - und dann kommt da dieses Quartett mit einem anderthalbseitigen Text daher, aus dem Frieden sprießen soll wie die Blumen aus einer Frühlingswiese.

Anderthalb Seiten voller Andeutungen und Referenzen: Das ist zwar nicht wenig in diesem Konflikt aller Konflikte, auch wenn man dem Text anmerkt, welche Mühe seine Verfasser hatten, sich auf ihn zu einigen. Das Quartett gibt es seit zehn Jahren, aber lange schon gab es nicht mehr diese Übereinstimmung wie jetzt. Amerikaner und Russen, alle Europäer und als Patron der UN-Generalsekretär räumen Israel und den Palästinensern ein Jahr ein, um die allseits bekannten Puzzleteile für den Frieden zusammenzufügen. Indirekt sagen sie auch, wo die Teile hingehören. Nun liegt es an Netanjahu und Abbas, Ernst zu machen.

Die Erfahrung und die Reden der beiden vor den UN erinnern daran, dass nur eines gewiss ist im Nahen Osten: Es wird schon einen geben, der am Ende jeden politischen Fortschritt zerstört. Irgendeine Wahl, irgendein Anschlag, irgendein Interesse wird dazwischenkommen, ehe diese neuen Friedensgespräche auch nur an Tempo gewonnen haben werden. Und dennoch ist es immer wichtig, den Defätisten Mut zuzureden.

Verglichen mit alten Zeiten bietet das Quartett nun einen großen Vorteil. Amerika als Zugpferd ist ausgeschirrt, die Vermittler erscheinen also nicht als Erfüllungsgehilfen von Israels Schutzmacht. So wird den Palästinensern ermöglicht, mit mehr Vertrauen in die Gespräche zu gehen. Diese Verschiebung der Gewichte ist den Europäern zu verdanken, die ihre Nahost-Differenzen zur Abwechslung ruhen lassen und demonstrieren, wie einflussreich der Kontinent sein könnte, wenn er denn gemeinsam Außenpolitik betriebe. Die oberste EU-Außenpolitikerin Catherine Ashton hat ihr Erstlingswerk abgeliefert.

In nur vier Wochen wird die Konstruktion ihren Überlebenstest absolvieren. Folgen Palästinenser und Israelis dem Aufruf zur Verhandlung, dann gibt es - wieder mal - ein wenig Hoffnung für Nahost. Nach einer Dekade der Enttäuschungen klingt das nahezu undenkbar.

© SZ vom 26.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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